Hasta la vista, Verdana!

Peter Biľak gibt mit seinem Vortrag einen Überblick über Schriftarten im Internet: ihre Geschichte, den Status Quo, verfügbare Tools, Problemstellungen bei der Verwendung und einen Ausblick in die Zukunft. Dabei konzentriert er sich auf seinen eigenen Service Typotheque, der die Einbindung von Webfonts vereinfacht. Beginnend mit einer Rückschau in die Zeitungsgestaltung um 1900 wurde anhand von Scans und Fotographien schnell deutlich: Viele Blätter ließen sich vor gut 100 Jahren nur am prominent gesetzten Namen unterscheiden, nicht aber durch die verwendeten Schrifttypen. Eine individualisierte Gestaltung wie im heutigen Printbereich gab es noch nicht.

Foto: Gerhard Kasnner
Foto: Gerhard Kasnner

Man könnte meinen, das Web, schließlich tendentiell schnelllebiger, lebendiger und wandelbarer, hätte diesen Sprung zur Individualisierung ebenfalls vollzogen. Anhand zahlreicher Screenshots negiert Biľak diese Schlussfolgerung allerdings schnell: Verdana und Georgia, soweit das Auge reicht. Schließlich unterlagen Webseiten lange der Beschränkung auf eine Hand voll Standardschriftarten, die 1996 von Microsoft unter dem Namen „Core Fonts for the Web“ zusammengestellt wurden; Georgia, Verdana, Comic Sans, Arial und Courier sind die bekanntesten. Diese wurden aufwendig für die Bildschirmdarstellung angepasst, so dass sie nicht wie die meisten ihrer Zeitgenossen zu Pixelbrei verschwammen. Auch heute noch sehen beispielweise viele Designer die Screen-Lesbarkeit der Georgia als unerreicht an.

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Peter Biľak

Type Designer, Designer (The Hague)

Peter Biľak works in the field of editorial, graphic, and type design and teaches at the Royal Academy of Arts in The Hague. He is running Typotheque, the first foundry to bring webfonts to the market. Recently he started »Works That Work«, magazine of unexpected creativity that rethinks publishing practices. Photo: Mano Strauch

Diese geringe Auswahl an Schriftarten führte unweigerlich dazu, dass so gut wie alle Webseiten typographisch ähnlich anmuteten: Georgia für Fließtext, Verdana für Überschriften. Extravagant war da schon, wer eine davon für beide Anwendungsgebiete einsetzt. Zwar ließen sich auch ausgefallenere Schriftarten bereits in Webseiten integrieren, allerdings mit zahlreichen Probleme: Webfonts, vom Server geladene Schriften, wurden von älteren Browsern nur sehr unterschiedlich und unvollständig unterstützt. Lokal auf dem Computer installierte Schriftarten sind keine Alternative, da jeder Besucher ein anders bestücktes typographisches Sammelsurium mitbringt.

Peter Biľak: Bildschirm und Print: 100 Jahre Nachholbedarf?
Peter Biľak: Bildschirm und Print: 100 Jahre Nachholbedarf? (Foto: Harry Keller)
Im Jahre 2009 war es dann soweit. Die Verbreitung moderner Browser war soweit gestiegen, dass man die eigentlich schon länger verfügbare, aber bis dato kaum genutzte CSS-font-face-Regel produktiv anwenden konnte: Diese erlaubt es, Schriften beim Aufruf einer Webseite vom Server automatisch mit herunterzuladen und anzuzeigen.

Ab hier wurde der Vortrag deutlich technischer und Biľak nahm die Zuhörer mit auf eine Reise durch Vor- und Nachteile von Webfonts, gab einen Überblick über vorhandene Angebote, erklärte den Umgang mit dem Lizenzproblem und führte einige beeindruckende Tools seiner Typotheque vor. Der Dienst erlaubt es, bei der Wahl von Schriftarten für Webseiten aus einem großen Fundus typographischer Möglichkeiten zu schöpfen. War die Schriftwahl im Web bisher trivial, so ist der Webdesigner nun gefordert, aus tausenden von Fonts zu wählen. Schriftgestalter wiederum müssen bei der Konzeption ihrer Schriften von Beginn an die Verwendung auf dem Bildschirm beachten.

Projekte wie die Typotheque verhelfen Webfonts zu dem Boom, den wir heute erleben. Das Web ist im Begriff, 100 Jahre Printentwicklung in einem Bruchteil dieser Zeit nachzuholen, und wir als Typographen, Webdesigner und Webdeveloper befinden uns mitten in dieser Entwicklung. Das erfordert neue Denkweisen, Lösungsansätze und Werkzeuge, doch genau dieser schnelle Wandel ist schließlich das Spannende an der Arbeit mit dem Internet.

In diesem Sinne: Lasst uns Georgia und Verdana endlich in die wohlverdiente Rente schicken!