6 Fragen an … Yanone

Yanone arbeitet als Multimediakünstler, Grafikdesigner, Schriftdesigner und Filmemacher in Weimar. Er machte seinen Abschluss an der Bauhaus-Universität in Weimar mit einer arabisch/lateinischen Schriftfamilie und absolvierte danach den Type-&-Media-Master in Den Haag. Momentan arbeitet er an dem experimentellen Tanzfilm Antithesis, den er in seiner kompletten Länge auf der TYPO Berlin 2014 vorstellen wird.

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Hier sind seine ausführlichen Antworten auf unseren kleinen Fragebogen:
1. Roots ist das diesjährige Thema der TYPO Berlin. Was fällt dir zu dem Thema ein?

Dass sowas von sowas kommt. Alle Arbeiten bauen, wenn auch unbewusst, auf ein Fundament an Arbeit, die vorher geleistet wurde. Kein Künstler könnte auf seinem Niveau wirken, wenn er/sie beim Fundament anfangen müsste. Man nennt es Kultur. Das finde ich faszinierend.

Interessanterweise hilft mir deswegen das Studieren vergangener Arbeit aber nicht dabei, originale Werke zu erschaffen. Ich hab mir als Autodidakt in vielen Bereichen meiner Arbeit ein gesundes Paar Scheuklappen zugelegt, die mich von den Einflüssen anderer Werke abschirmen. Deshalb kenne ich mich auch nicht mit Schriften aus, wie immer angenommen wird. Ich erkenne aber an, dass ich in jedem Bereich auf dem Fundament anderer baue.

2. Welche Designarbeit ist in deinen Augen so gut und grundlegend gewesen, dass sie Ausgangsbasis für moderne Überlegungen war?

Otl Aichers Olympia-Piktogramme. Sie stellen die perfekte Mischung aus Reduktion und Erkennbarkeit dar. Der Schriftgestalter würde Lesbarkeit dazu sagen. Aber zu seiner Rotis hab ich auch eine klare Meinung: Die geht gar nicht.

3. In welchem Bezug steht deine Arbeit zum Thema?

Da muss ich auf die erste Frage verweisen. Ich habe mit Antithesis ein umfassendes, interdisziplinäres und originales Werk geschaffen, dass für sich steht, ohne Roots aber niemals so geworden sein könnte.
Antithesis – Trailer from Yanone on Vimeo.



Kaffeesatz © Yanone

4. Auf welche 3 deiner Arbeiten bist du besonders stolz und warum?

Am Anfang stand bei mir die »Kaffeesatz«, eine Grotesken-Familie, die ich vor fast zehn Jahren als grünschnäbliger Student aus Mangel an Selbstbewusstsein kostenlos veröffentlichte. Rückblickend gefällt mir die Schrift erwarteterweise nicht mehr so gut, aber sie hat mir seit 2004 alle Tore geöffnet und das Interesse an der Schriftgestaltung gedeihen lassen. Nun zu sehen, dass sie ca. 670.000 Mal heruntergeladen wurde (Google Webfonts nicht mit eingerechnet), und ihr auch in entlegenen Ländern ständig zu begegnen, erfüllt mich mit Stolz. Der Schrift verdanke ich alles.

Dann wäre da die Arabisch/Lateinische Schriftfamilie FF Amman für Jordaniens Hauptstadt, die ich auf der TYPO Berlin 2010 schon vorgestellt hatte. Aber Stolz trifft’s in dem Fall nicht – ich hatte einfach enormes Glück. Wer bekommt schon als Diplomand die Gelegenheit, einer Hauptstadt ein Gesicht zu verleihen? Auch, die Schrift in Kairo auf Bannern in Straßenprotesten zu sehen, erfüllt mich nicht mit Stolz. Aber mit viel Freude.

Mein Kurvenanalytik-Werkzeug »Speed Punk«, das Kurvenkrümmung der Outlines beim Gestalten von Schriften sichtbar macht, ist toll. Das hab ich nicht erfunden, aber aus dem Ingenieurswesen erstmals für die Schriftgestaltung implementiert. Es hilft enorm beim Erlernen des gefühlvollen Zeichnens mit kubischen Bézier-Kurven, die die technische Grundlage unserer digitalen Vektorgrafik bilden. Das Pony kann genau einen Trick, und den kann es richtig gut.


FF Amman @ Yanone

5. Pflicht: Was sind momentan deine Lieblingsbücher, -Ausstellungen, -Künstler?

Ich war neulich im frisch wiedereröffneten Rijks Museum in Amsterdam. Das war beeindruckend, so viel geballte niederländische Kunst auf einem Haufen zu sehen, und zum Greifen nah. Reproduktionen, egal wie hochauflösend, werden den Farben und Details der Bilder einfach nicht gerecht.
Auf Künstler kann ich mich schlecht festlegen, da gibt es einfach zu viele. Ein paar junge Künstler aus meinem näheren Umfeld, die mich beeindrucken: Die Jenaer Sängerin Delhia de France, die in Weimar Produktdesign studiert hat, und neben ihrer Band The Pentatones nun ein Solo-Projekt veröffentlicht. Die Kostüme, die sie für die Pentatones macht, sind Wahnsinn. Mich beeindruckt weniger ihre Musik als Solokünstlerin, als vielmehr das Gesamtkunstwerk.

Dann wäre da der Weimarer Architekturstudent Jakob Stolz, der in puncto Fassadenprojektion Dinge aus dem Ärmel schüttelt, die mich einfach nur begeistern. Neulich zum zweiten Weimarer Fassadenprojektionsfestival »Genius Loci« hat er mit mehrstufigen Signalketten und -schleifen und teils analogen Lichtquellen auf ein Miniaturmodell des Van-De-Velde-Baus der Universität projiziert, dessen abgefilmtes Bild dann auf das echte Gebäude projiziert wurde.

LEAPS IN SCALE an audiovisual live jam from KONGLOMERAT on Vimeo.

Zuletzt muss ich den Leipziger Matthias Müller alias Kid Gringo nennen, der in allem, was er tut, eine Ausnahmeerscheinung ist. Er arbeitet u.a. als Grafiker und überrascht dort immer wieder aufs Neue mit seinen Illustrationen und Farben. Als Deejay ist er der Energy-God und in Zusammenarbeit mit dem Leipziger Dancehall-Künstler Ronny Trettmann haben sie den deutschen Reggae single-handedly aus dem Mief und Fremdschämen der Vergangenheit weit in eine neonfarbene Zukunft katapultiert und das Thema Dancehall erstmalig auf authentische Weise hier im reichen und sicheren Westeuropa interpretiert.
Zum Lesen hab ich keine Zeit.

Yanone

Yanone

Yanone, born in 1982 in Dresden, East Germany, is a young graphic and type designer, multimedia artist, disc jockey and sound system operator currently residing in a commune just outside of Weimar in the heart of Germany. After spending nine years of his childhood and early youth in Addis Ababa, capital of Ethiopia, due to a his fathers' professorship at the capital’s university he returned to unified Germany to finish his secondary education. He commenced studies of Information Technology at the Bauhaus-University in Weimar in 2002 and switched to Visual Communications two years later. His seven university years also brought him to the design and branding office SYNTAX in Amman, Jordan and to FontShop International in Berlin. There he learned the technical skills necessary to produce high quality typefaces which cemented his ongoing development as a type designer and technician. He completed his studies in Weimar in 2009 with a rather extensive type design project, a Latin/Arabic typeface for Jordan’s capital Amman. In 2011 Yanone completed the Type & Media type design masters degree at the Royal Academy of Fine Arts in Den Haag where he tried to improve his calligraphy and type design skills. He is working freelance ever since. (Photo: Daniel Scholz)

6. Nenne uns 3 Werkzeuge/digitale Tools, die für dich gerade unersetzlich sind.

Das bereits erwähnte Speed Punk für die Schriftgestaltung. Andere Werkzeuge möchte ich nicht nennen.

Das Problem mit Werkzeugen ist, dass sie den eigenen Handlungsspielraum einschränken, anstatt ihn zu erweitern, weil man sich auf die Möglichkeiten des Werkzeugs beschränken muss. Wenn ich im Type&Media Schriftgestaltungs-Master in Den Haag eins gelernt habe, dann ist das, meine eigenen Werkzeuge zu bauen. Nur so kann ich meine Ideen in der erdachten Weise umsetzen.

Speed Punk ist dort entstanden, aber auch eine HTML- und Grafik-Synthesizer-Bibliothek, die mich programmatisch Grafiken basteln lassen. Ein weiterer, wichtiger Punkt für eigene Werkzeuge ist, dass man die Funktionsweise nur von den Werkzeuge verinnerlichen kann, die man selbst gebaut hat. Da ist es egal, gegen welches Monstrum man antritt.

Ich muss immer lachen, wenn Menschen die iPads als Kreativwerkzeuge lobpreisen. Denn man kann sich auf dem Gerät selbst keine Apps programmieren, also kann man nicht tatsächlich kreativ sein. Die Dinger sind Fernbedienungen, weiter nichts.