So gestaltete Kidd z. B. eine Arbeit abseits der Buchdeckel, eine Neuinterpretation von Rockwells berühmter Plakatreihe “Four Freedoms”, die in den 40er Jahren produziert wurde. Sie sollten zum Kauf von freedom bonds anregen und so den Krieg mitfinanzieren. Chip Kidd’s Variante ist keineswegs ein patriotisches Remake als vielmehr eine selbstkritische Betrachtung der eigenen Nation: Unter der Überschrift Freedom of Speech ist eine brennende Amerikaflagge zu sehen.
Noch unterhaltsamster ist aber der zweite Part der Chip Kidd-Show, der “genüssliche Selbstzerfleischung oder “Wider die Ignoranz der Unwissenden” genannt werden kann. Hier folgte eine Aufstellung aller abgelehnten Arbeiten bzw. der abgelehnten Vorstufen zu einem Buchcover, die nicht durch die Armada von Autoren, Verlagshäusern und Managements gelangten. Untermalt wurde die Präsentation durch Kidds unglaublich bewegliche Gesichtsmuskulatur, am trainiertesten ist auf jeden Fall die rechte Augenbraue. Im Nachhinein schien es ihn nicht zu stören, dass etwa eine “romantische Dramedy über blutsaugende Vampire, die bei einem Fersehsender arbeiten”, schlussendlich doch nicht mit einem Chipp Kidd-Cover versehen wurde. Ähnlich erging es einem Buch über das Finanzunternehmen Morgan Stanley: “Blue Blood and Mutiny: The Fight for the Soul of Morgan Stanley”. Der Autorin fehlte einfach die Seele in dem Entwurf. Schließlich wurde dieses “wahnsinnig interessante Buch” ohne Kidds Hilfe in weißer Schrift auf schwarzem Grund “mit sehr viel Seele” gedruckt. Auch einen ironischen Seitenhieb auf den Veranstalter der Konferenz konnte er sich nicht verkneifen: Bei jeder Schrift fügte er mit Schmunzeln hinzu: “By the way, this is from Fontshop”.
Einfach schön zu sehen war der Entwurf für die Biographie über den Peanuts-Autor Charles M. Schulz. In Kidds Reduktion auf wenige Linien war trotzdem klar und deutlich Charly Brown auf gelben Grund zu erkennen. Nach einer Klage der Witwe gegen die Biografie durfte das Buch nicht mehr mit dem Cover erscheinen. Die Lösung war eine ZickZack-Linie vor gelbem Hintergrund, die Charly Browns T-Shirt verdammt ähnlich sieht.
Alles in allem gab Kidd eine amüsante Zusammenfassung über die Unwägbarkeiten und die Vielzahl von Entscheidungsträgern, mit denen sich ein Buchcovergraphiker auseinandersetzen muss. Dass nach der Veranstaltung das halbe Publikum summend und mit einem Pfeifen auf den Lippen das Haus der Kulturen der Welt verließ, lag natürlich an dem ausgezeichneten Tagesprogramm. Und die letzten Minuten von Kidds Vortrag, die er mit seinem Musikprojekt Artbreak beendete. Frei nach dem Barbara Schönberger-Motto “Jetzt singt er auch noch” macht der Book-Super-Designer nun Musik,´und kompensiert so seine Midlife Crisis.. Schauts euch an: Asymetrical Girl, 80ies New Wave mit viel Typo im Bild. Viel Spaß beim summen!