Charles Landry: Welt in Bewegung
Die moderne Stadt ist dynamisch und wild. Menschen, Objekte und Ideen sind ständig im Fluss, während das Leben sich unaufhaltsam beschleunigt. VR generiert eine völlig neue Ebene im urbanen Geschwindigkeitsrausch und prägt die Stadt auf eine Weise, die dem bloßen Auge verborgen bleibt. Sich der Komplexität der sich permanent verändernden augmented reality zu stellen ist alles andere als einfach. Doch Charles Landry lässt sich davon nicht beeindrucken. Optimistisch, ja geradezu enthusiastisch schaut er der Zukunft entgegen. Kein Detail im Gewebe der Stadt entgeht seinem scharfen Blick. Seine Schlussfolgerungen sind kontrovers, doch wertvoll: „Wir müssen vom „nein, weil…“ zum „ja, wenn…“ kommen.“, sagt er. Bürokratie nervt ihn. Reale, spürbare Verbesserungen, angestoßen von Basisinitiativen sind seine Inspiration. Wo ein Wille ist, ist ein Weg. Ganz einfach!
⇢ Charles Landry: The Civic City in the Nomadic World (video: 43 min)
Briar Levit: Exploration und Engagement
Was motiviert den Designer, ausgetretene Pfade zu verlassen? Für Briar Levit ist es der Drang, das Unbekannte zu erkunden, den sie immer wieder verspürt – insbesondere wenn es gilt, Routineaufgaben zu lösen. Selbstpublizierte Magazine, die Gestaltung von Wanderkarten, bei einem Film Regie führen: diese kreativen Medien entdeckte sie, weil sie schlicht ihrer Neugier folgte. Für ein neues Projekt – Graphic Means: A History of Graphic Design Production – wurde sie zur Regisseurin und Produzentin und musste sich weiteren unerwarteten Herausforderungen stellen: Es galt Fragen des Managements, der Budgetplanung und der Technik zu lösen. Dabei war nicht nur ihre Leidenschaft ein Treiber, sondern in hohem Maß auch die Verantwortung gegenüber ihren Geldgebern, die sie nicht enttäuschen wollte. Und diese waren immer glücklich.
⇢ Briar Levit: Designer as Filmmaker (video: 43 min)
dina Amin: Tüfteln mit Liebe
dina Amin (mit kleinem d) ist weder Produkt- noch Animationsdesignerin. Sie nimmt Produkte auseinander. Warum? Weil es ihr Spaß macht. Nach ihrem Produktdesign-Studium arbeitete sie eine Weile in diesem Metier, gab es jedoch bald auf, um eigene Wege zu gehen. Ihr Ziel: Tun, was ihr gefällt, Probleme lösen, Geld verdienen. Schwierig! Motiviert von ihrem Ärger darüber, dass alle Produkte, die Designer entwerfen, am Ende Müll sind, begann dina Amin, weggeworfene Gegenstände zu sammeln und daraus verrückte Figuren zu gestalten, die in Stop-Motion-Filmen liebenswerte kleine Geschichten erzählen. Manches auseinandergenommene Objekt findet so zwar nie wieder zurück zur ursprünglichen Form, doch es kommuniziert ständig Neues. Inspiriert durch Online-Plattformen präsentiert dina Amin ihre kreativen Ideen weltweit, denn sie ist überzeugt: „Es geht immer um menschliche Interaktion.“
⇢ dina Amin: A Tinker Story (video: 49 min)
Frank Rausch: Nur eine Zeile Code
Auch Frank Rausch hat seinen „emotionalen“ Trigger: Ärger! Rausch ärgert sich. Zum Beispiel über schlechte Typografie in Apps, die wir Tag für Tag nutzen. Als Vorwand dafür herhalten müssen technische Schwierigkeiten mit den analogen Geräten, die die Gestalter für ihre Projekte nutzen. Rausch lässt das nicht als Entschuldigung gelten. Die digitale Welt – einschließlich der Programme – bietet Tools, deren Handhabung du lernen musst. Denn je besser du die Technik beherrschst, desto weiter kannst du denken und desto eher kannst du typografisch schöne Apps entwickeln. Die Zeit, in der ein Designer sagen konnte, etwas sei zu schwer, ist vorbei. Denn, so beweist Frank Rausch, für jedes Problem gibt es eine Zeile Code: schlechter Zeilenabstand, fieser Flattersatz und andere Schwächen, die den Gesamteindruck der Bedienungsoberfläche verhunzen, müssen nicht sein. Frank Rausch ärgert sich und entwickelt so den exakten Blick auf mikrotypografische Arbeiten und die Optimierung des Lesens auf digitalen Gadgets.
⇢ Frank Rausch: Die neue Typographie (video: 49 min)
Sonja Knecht: Schöne Worte
Sonja Knecht ist Texterin. Beziehungsweise: Sonja Knecht entwickelt „verbale IDs“ für Designer und Unternehmen, die nach den richtigen Worten suchen. Fasziniert von und manchmal auch empört angesichts der Dinge, die sie auf der Straße, in Anzeigen oder online sieht, will sie ihre visuellen Impressionen adäquat wiedergeben oder – falls nötig- ändern. Text ist für sie überall. Text sollte uns wichtig sein, sagt sie. Denn Text ist mehr als die Summe der Buchstaben. Text ist Zeitzeuge, Geschichtenerzähler, Vermittler von Informationen und Emotionen, Text schafft Bilder in unseren Köpfen. Texten heißt, mit Worten gestalten. Sonja Knechts Kreativität wird eindeutig von Text getriggert. „Text, sex, shit!“. Ebenso wie die scharfen, lauten Letter t, s and x reizt sie die Bedeutung der Worte und der Kontext, in dem wir sie finden. Mit einem ausgeprägten Sinn dafür, dass jeder von uns seine eigene Beziehung zu Worten und den Bildern, die diese evozieren, hat, geht sie alle Varianten durch, in denen ein Satz aufgebaut sein kann. Leidenschaftlich jongliert sie mit Text und offenbart die Vielfalt, in der Inhalte transportiert werden können, wie ein Rhythmus entsteht und dass Text auslassen ebenso Texten ist wie Text schreiben. Knecht ermutigt uns, zu schreiben, denn „Worte sind unsere besten Freunde. Buchstaben auch.“ Wir müssen nur wissen, was wir mit ihnen machen wollen.
⇢ Sonja Knecht: Text – Sex – Scheiße (video: 49 min)
Toshi Omagari: Retro-Zwang!
Manchmal ist das Limit Inspiration. Jedenfalls war das so in der guten alten Zeit der Spielautomaten, als anonyme Nicht-Typografen Pixel für Pixel Fonts auf einem 8×8-Raster zeichneten. Der Monotype-Schriftentwerfer und passionierte Gamer Toshi Omagari nimmt uns mit in diese Welt des gänzlich ungezähmten Erfindungsgeistes. In seiner Auswahl von hunderten von Schriften finden sich einige der krassesten Beispiele für Schriften überhaupt. Einige sind geradezu bizarr, hart an der Grenze von hässlich. Andere kommen moderat und ausgewogen daher. Omagari betont die cleveren Wege, die die Designer einschlugen, um Ideen Form zu verleihen, ohne rigide Spezifikationen zu missachten. Auch wenn die engen Grenzen der Vergangenheit längst hinter uns liegen, prägen sie unser visuelles Erbe, das selbst kein Verfallsdatum kennt. Inspiration ist auf zweifache Weise möglich: Zum einen vermittelt die nähere Betrachtung der Gestaltungsentscheidung mögliche konzeptionelle Ansätze, während die spezielle Erscheinungsform jedes einzelnen Font oder einer einzelnen Glyphe nur darauf wartet, in eine brandneue Kreation gesampled oder gemixt zu werden.
⇢ Toshi Omagari: Video to be released soon.
(Un)erhoffte Inspiration
TYPO 2018 – das waren jede Menge kreative Trigger: Lust auf Veränderung oder der drängende Gedanke, andere warteten nur auf dein Projekt. Neben den vielfältigen Variationen von Auslösern, über die TYPO-Redner berichteten, betonten sie immer wieder, dass es oft mit einem winzigen, fast unmerklichem Impuls beginnt. Vielleicht weißt du nicht, was deine nächste Inspiration ist. Keine Sorge! Es passiert genau dann, wenn du es am wenigsten erwartest.
Illustrationen: Maciej Nadobnik