Van Bo Le-Mentzel: Karma Economy oder über die Notwendigkeit sich zu erheben

Van Bo Le-Mentzel hat es gerade rechtzeitig zu seinem Vortrag auf die TYPO geschafft. Vorher hat er sich noch schnell impfen lassen, weil er demnächst nach Sri Lanka reist. Aber dazu später mehr.

Karma Chakhs: nach Crowdfunding und Crowdsourcing kommt das Crowducing.

Van Bo Le-Mentzel at TYPO Berlin 2013 © A. Blumhof

Er beginnt seinen Vortrag mit einer Geschichte. Es ist die Geschichte seiner Mutter aus Laos, die eigentlich gerne Sängerin in Frankreich oder sonst wo in Europa geworden wäre, stattdessen aber eine Schneiderlehre machte und nebenher putzen ging. So lernte sie seinen Vater kennen, einen Chinesen, mit dem sie in letzter Sekunde vor dem aufkeimenden Kommunismus erst nach Thailand und schließlich nach Europa floh. So kommt es, dass Van Bo Le-Mentzel in Berlin aufwächst, immer mit dem Versprechen seiner Mutter im Ohr, dass er es einmal gut haben wird. Er ist nach eigenen Aussagen ein Kind der 80er, lebte sich in der Graffiti-Szene aus und studierte später Architektur. Als Architekten kennt man ihn auch, vor allem als Erfinder der HARTZ IV MÖBEL. Er selbst bezeichnet sich als KARMA ECONOMIST.

Auf die TYPO ist er gekommen um über sein neuestes Projekt zu sprechen: KARMA CHAKHS. Auch hierzu gibt es eine Geschichte. Van Bo liebt Chucks von Converse, vor allem die roten.  Als Converse aber von Nike aufgekauft wird, kommt er in einen Gewissenskonflikt. Er fängt an darüber nachzudenken, unter welchen Umständen und zu welchen Bedingungen die Schuhe hergestellt werden, in sogenannten Niedriglohnländern (aus denen seine Eltern kommen) und kommt zu dem Schluss, dass er seinen Konsumwunsch nicht mit seinem Gewissen vereinbaren kann. Rote Chucks hätte er aber trotzdem gerne.

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Van Bo Le-Mentzel

Architect and inventor of the One-Sqm-House, furniture for people “on the dole” and editor/publisher of the book “Hartz IV Möbel” (2012, Hatje Cantz). Initiator of Karma Chakhs – a new form of mass production.
Seine Crowd – so nennt er seine Facebook-Freunde – bringt ihn letztendlich auf die Idee, die Schuhe einfach selbst zu produzieren. Er findet ein Fairtrade-Netzwerk, bei dem er die Schuhe unter fairen Arbeitsbedingungen nach ökologisch nachhaltigen Prinzipien fertigen lassen kann. Das Problem ist nur, dass er nicht einfach ein Paar Schuhe bestellen kann, weil sich die Produktion erst ab einer Bestellmenge von 500 Paar lohnt.

Um dieses Problem zu lösen startete Van Bo Le-Mentzel eine Kampagne auf der Crowdfunding-Plattform startnext.de.

Dort fand er 499 Co-Produzenten, die er benötigte um seinen Plan in die Tat umzusetzen – er selbst wollte ja nur ein einziges Paar haben. Insgesamt kamen so knapp 32.000 € zusammen und die Schuhe können jetzt tatsächlich produziert werden. Nicht nur die Finanzierung bei diesem Projekt lief nach dem Crowdfunding-Prinzip, auch das Design und alles was dazu gehört entstand durch Crowdsourcing in einem demokratischen Prozess. Diesen Gesamtprozess bezeichnet Van Bo Le-Mentzel als Crowducing.

„Alles was ich mache, ist Open Source“

Es geht nicht darum ins Schuhgeschäft einzusteigen oder neue Märkte zu erschließen. Es geht vielmehr um eine reflektierte Haltung zum eigenen Konsum und darum, neue Möglichkeiten für gesellschaftliche Veränderung zu nutzen und das angelernte Linearitätsprinzip von Wertschöpfungsketten und Produktion zu hinterfragen und wenn nötig zu ändern. Mit KARMA CHAKHS beweist er, dass das möglich ist. Wenn die Produktion abgeschlossen ist, wird er eine Anleitung ins Netz stellen, so wie er das auch schon für seine HARTZ IV MÖBEL gemacht hat. „Alles was ich mache, ist Open Source“, betont er. Im Moment arbeitet er am CROWD BOOK, das im November erscheinen soll. Außerdem hat er die CROWD BUILDING ACADEMY gegründet. Jeder soll lernen können, wie man mithilfe einer Crowd die Welt verändern kann, denn um nicht weniger als das geht es ja schließlich.

Während seines Vortrags trägt er einen Prototyp seiner KARMA CHAKHS. In zwei Wochen wird er nach Sri Lanka fliegen und sich vor Ort ein Bild machen von der Produktion der Schuhe, die Menschen kennenlernen, die die Schuhe nähen und lernen, wie man den Kautschuk für die Sohle aus Bäumen kratzt. Deshalb die Impfung und zum Beweis zwei Pflaster auf dem Arm und ein sympathisches Grinsen.

Ganz generell handelt es sich bei diesem Vortrag keinesfalls um eine Moralpredigt, Van Bo Le-Mentzel belehrt nicht, er ermutigt. Zum Schluss trotzdem noch ein kleiner Apell: Man solle doch bitte mal über die Verantwortung nachdenken, die man als Designer hat. Schließlich habe man das Talent zu gestalten.

Ivana Rohr