David Berlow – Und jetzt, Typografen?

David Berlow ist außer Atem. Das Mikro überträgt sein Schnauben bis in die letzte Ecke der großen Halle. Die Typo ist im Endspurt, am Samstagabend, da ist das nur verständlich.

Berlow ist Schriftenentwerfer und Gründer von Font Bureau, Inc. Jetzt tigert er über die Bühne, den Blick gebannt auf den Bodenmonitor gerichtet, und spricht über die Schwierigkeiten, eine Schrift auch auf dem Bildschirm gut aussehen zu lassen. „Ich begann darüber nachzudenken, als ich bemerkte, dass mein iPod eine bessere Schriftdarstellung hat als mein Macintosh“, sagt er.

Dann verdeutlicht er das Problem an vergrößerten Buchstaben, und vergleicht das Rendering von Mac OS 8, Mac OS X und Vista (mit Cleartype). Auf der Leinwand werden die Unregelmäßigkeiten der Buchstaben deutlich , sie scheinen zu schwimmen. Als Zuschauer fühlt man sich wie beim Sehtest. Doch statt einer Brille verschreibt Berlow bessere Schriften, der pixeligen Auflösung der Bildschirme angepasst. Er stellt seine eigenen Screenfonts vor

Von verschwommen bis scharf in 60 Minuten: Berlow präsentiert Bildschirmschriften.

„Dabei muss man aufpassen. Denn der Computer ist leicht zufrieden zu stellen. Aber zufrieden sein sollt ihr, die Leser. Eine gute Schrift muss beide Ansprüche berücksichtigen.“ Zum Glück verbessert sich seit Jahren die Auflösung der Bildschirme. „In einer Dimension, die niemand braucht. Oder hat sich schon mal jemand von ihnen über die schlechte Auflösung seines Fernsehers beklagt? Sehen sie, die forschen da nur, damit die Schriften besser lesbar werden. Außerdem zu beachten: Der Abstand zwischen den Buchstaben. „Ich interessiere mich nur für einzelne Letter, wenn sie furchtbar aussehen. Der Abstand ist entscheidend.“

In den letzten 10 Minuten seines Vortrags stellt Berlow ein Projekt vor, für dass er eigentlich von Jürgen Siebert zur TYPO 2008 eingeladen wurde. Es geht um die typografische Ausstattung der amerikanischen Luxus-Yacht Ethereal, die zur Zeit in Holland bei Royal Huisman Shipyard BV gebaut wird. Ihr Eigner, ein Silicon-Valley-Milliardär, rüstet das Boot nicht neuesten mit den neuesten Navigations- und Energiespartechniken aus, er wünschter sich auch eine Exklusivschrift für Schalter, EDV-Interfaces und andere Beschriftungen. Berlows Spielraum war nicht groß, denn sowohl für das Logo als auch den Screenfont gab es bereits (amateurhafte) Skizzen. Er machte das Beste daraus. Auf der Basis von Bank Gothic (!) musste Berlow einen Screenfont entwickeln, der nicht gerade für Lesbarkeit steht, aber wenigstens exklusiv aussieht.

Mit dieser Erkenntnis passiert Berlow pünktlich die Ziellinie. Das war von verschwommen zu scharf in nur 60 Minuten, für einen Platz auf dem Treppchen sollte seine kompetente Präsentation reichen.

Text: Juliane Wiedemeier und Jürgen Siebert, Foto: gerhardkassner.de

3 Comments

  1. Gerrit|June 2, 2008

    Berlow gab eine der besten Präsentationen, die ich je gesehen habe.

    This man can talk!

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