Es scheint eine simple Aufgabe und trotzdem beinhaltet sie all das, was Betina Müller und Armin Lindauer über Jahre hinweg als Gestaltungsmethode entwickelt haben. 30 Teilnehmer zeichnen 30 Tassen. Es ist nur ein Wort – Tasse – und doch kann es so vielfältige Gestalten annehmen. Es seien die einzelnen Elemente, die Form, das Format, die Materialien, die den Charakter des Gezeichneten ausmachen, erklärt Betina Müller.
In ihrem Buch „Experimentelle Gestaltung – Visuelle Methode und systematisches Spiel“, das im Frühjahr vergangenen Jahres bei niggli erschienenen ist, haben sie und Armin Lindauer ihre Gestaltungsmethode auf 424 Seiten akribisch durchdekliniert. Das umfangreiche Werk hat nicht nur große Aumerksamkeit (Slanted, Page, Novum und andere) bekommen, sondern wurde auch mehrfach ausgezeichnet, unter anderem vom ICMA , dem Red Dot Award und wurde für den Designpreis Berlin-Brandenburg nominiert.
Experimentieren bedeute nicht einfach wild drauf los kritzeln und das Zufalls-Bauchgefühl entscheiden lassen, sondern vor allem und zuallererst ein Regelwerk definieren. Wichtig ist, dass alle Arbeitsschritte stets nachvollziehbar bleiben und dadurch ein erfolgreicher Prozess auch jederzeit wiederholt werden kann.
Für unseren Workshop gibt sie das Regelwerk vor. Auf den ausgeteilten Arbeitsblättern sind unter dem Titel „Tasse to do” Themen wie Format, Objekt, Hintergrund, … aufgelistet. Jeder dieser Punkte gliedert sich wiederum in Unterpunkte, für die wir je zehn Minuten Zeit haben, möglichst viele und unterschiedliche Entwürfe zu skizzieren. Gestaltung als ein systematisches Handwerk.
Überwindet man erst einmal das Denken, führt das Zeichnen einer Tasse schon gleich zur Idee für eine weitere. Das schnelle Produzieren ist erschöpfend und nach der ersten halben Stunde werden neben mir die Kekse ausgepackt, nach einer weiteren viertel Stunde geht dann das Plappern los.
Auch ich löse mich langsam aus meinem apathischen Tunnelblick und stelle fest, dass ich unbemerkt fast acht Blätter mit Tassen (oder Artverwandtem) gefüllt habe. Wir legen all unsere Ergebnisse gemeinsam auf einen Tisch nebeneinander und vor uns breitet sich ein Meer an neuen Erfindungen, spannenden Metamorphosen und ganz eigenen Geschichten aus. Das „Experimentelle Gestalten“ ist eine einfache und spannende Technik, um sich über Kreativitätsblockaden hinweg zusetzen.
Written by Merle Ibach •