Alejandro Paul: Der Kampf um den Augenblick

Zuerst wollte Alejandro Paul Ingenieurswissenschaften studieren. Doch nach einem Jahr zeigte sich, das war irgendwie nicht das Richtige ihn. Nach einem kurzen Abstecher ins Grafikdesign landete der Argentinier schließlich bei der Typographie. Und wenn man sieht, mit welcher Leidenschaft zur Schrift er heute seinen Vortrag auf der Typo Berlin hält, fragt man sich: Warum die Umwege? Aus diesem Mann konnte gar nichts anders werden als Typograph!

Paul berichtet von der Wirtschaftskrise 2000/01 in Argentinien. Krisen gibt es dort zwar öfter, sagt er, doch diese war maßgeblich für seinen Werdegang. Die Sparmaßnahmen trafen auch die Designer, sie mussten ihre Strategien der wirtschaftlichen Lage anpassen. Denn die erste Frage für einen Designer lautet nach Paul: “What kind of designer do you want to be and how will you survive?”. Wer in der Krise nicht untergehen wollte, musste eine Nische finden. Paul entdeckte seine im Supermarkt – Verpackungstypografie.

Das er sich in den Supermärkten dieser Welt umgesehen hat, beweist er uns anhand zahlreicher bunter Fotos – am Abend zuvor war er sogar extra noch in einem Berliner Laden. Jegliche Art von Produktverpackungen sind hier mit ihren Schriftzügen zu sehen: “Look, food for dogs and food for kids use the same font!”. Und genau an dieser Stelle setzt die Strategie des Designers an: Er möchte individuelle Schriften für bestimmte Produkte entwerfen. Die Typografie soll zur Verpackung passen, die Besonderheit des Produkts hervorheben, so sein Ansatz.

Inspiration für seine Types findet Paul auf vielerei Weise, wie die Bilder in seiner Präsentation zeigen. Produktverpackungen, Magazine, Ladenfronten, Pflanzen, Markenlogos und alte Bücher. Letztere liebt der Argentinier besonders, ja, er ist geradezu obsessiv vernarrt in alte Schriften. Gerne holt er sich aus Büchern der 30er und 40er Jahre Anregungen für seine Entwürfe – wie etwa dem Social Business Guide, einem Ratgeber für gutes Benehmen im Ledereinband.

Doch er will kein Revival der alten Klassiker. Vielmehr experimentiert er mit den Formen der Vergangenheit und passt sie mittels moderner Techniken der Gegenwart an. Ähnlichkeiten bleiben jedoch bestehen, wie sein Beispiel vergangener und aktueller Modeanzeigen zeigt: “Die Mädchen verändern sich, aber die Schrift funktioniert immer noch”.

Zwischenzeitlich fragt man sich, woher seine umfangreiche Fotosammlung stammt, durch die er sich so zügig klickt. Von Freunden und Bekannten aus aller Welt, erklärt Paul. Zur Inspiration schicken sie dem Designer interessante Schriftftzüge, die sie an den unterschiedlichsten Orten entdecken. Dabei freut sich der Typograph besonders, wenn er auf Bildern seine eigene Fonts gelungen umgesetzt sieht. Viele Leute würden ihm auch Bilder seiner Schriftzügen als Tattoos zu senden. So richtig scheint ihn die Umsetzung der Types auf ungewohntem Untergrund jedoch nicht zu überzeugen – vielleicht solle er als nächstes lieber eine eigene Tattoo-Typografie entwickeln? Wäre immerhin eine neue Nische für die argentinische Typographie.