Florian Fischer: Form Follows Space

Der Designer und Coach Florian Fischer fasste das Thema „Space“ ganzheitlich auf und behandelte es nicht nur im grafischen, sondern auch metaphysischen und menschlichen Kontext. Sein Motto lautet: Das Wesentliche ist dazwischen. So sprach er in seiner interaktiven Präsentation über die Funktion der Leere, Klänge, die den Raum füllen, und den jeweils unterschiedlichen Raum zwischen Buchstaben, der deren unterschiedliche Bedeutungen mitbeeinflusst. Das Publikum setzte auf Karten gezeichnete unterschiedliche Grafikelemente zu der Wortfolge „Form Follows Space“ zusammen und bekam so eine praktische Demonstration von Fischers letztgenannter These. Außerdem reichte es ein flexibles Metallobjekt herum, dass sich bei der kleinsten Bewegung von beachtlicher Größe zu einem flachen Gegenstand zusammenfalten ließ und bekam damit einen haptischen Eindruck der Bedeutung des Zwischenraumes „Space“. Dieser ist auch für die Lösung zwischenmenschlicher Konflikte sowie die Entspannung des Einzelnen notwendig, sei es in Form von respektvollem Umgang miteinander oder als Entspannungspause zwischen Arbeitsphasen.

(Foto: Gerhard Kassner)

Joshua Davis: Dynamic Abstraction

Joshua Davis befasst sich seit Jahren erfolgreich mit dem Bereich der Dynamic Abstraction, einer mathematisch-generativen Kreativtechnik. Für Unternehmer, Sammler und Institutionen realisiert er öffentliche und private Objekte. Diese bestehen aus visuellen Kompositionen, in denen er die technischen und ästhetischen Grenzen der Programme Flash und Illustrator erkundet. 

Davis, der sich jedes Jahr ein neues Thema setzt, zeigte heute seine Experimente mit dem Begriff „Space” und dessen Bedeutung und Möglichkeiten. Das Grundrezept hierfür lautet: Eine Basis schaffen und in dieser mit kleinen Veränderungen große Effekte erzielen. Nach dieser Strategie navigierte Davis zwischen Kunstdesign, Print und Screen in Flash und Illustrator und zeigte, wie sich Objekte durch geringe Modifizierungen in ihrem Erscheinungsbild vollständig verändern können. Etwa durch Veränderungen des „Spacings” im Sinne des Zwischenraumes zwischen Körpern oder durch Arbeiten mit animierten Kaleidoskopen. Indem er zeigt, wie sich Grundmotive wie eine Christbaumkugel oder ein Skateboard zu unendlich vielen Bildern neu zusammensetzen lassen, enthüllt Davis Raum als ein veränderbares und flexibles Element. Er vergleicht die von ihm entwickelte Software mit dem Legospiel, bei dem kleine Grundbausteine zu beliebigen Formen zusammengestellt werden können. Sie lässt sich sowohl als Grundform für Poster, statische und bewegte Objekte auf Websites sowie auf iPhones anwenden. 

Dieselbe Vorgehensweise demonstriert Davis anhand von Bezier-Kurven. Zwei unterschiedliche Punkte werden im Raum miteinander verbunden, ihre Pfade dann aufgemalt und durch Variation der visualisierten Verbindungen in Transparenz und Geschwindigkeit wieder neue Objekte kreiert. 

Abschließend zeigte Davis Impressionen aus seinen internationalen Ausstellungen, in denen er unter anderem eine Halfpipe für Skateboards, dreidimensionale Vasen und von Besuchern mitgestaltbare Objekte schuf.

(Foto: Gerhard Kassner)

Bernard Stein: Rock’n’Roll durch die Sphären

Am Anfang war die Form. So hat der gebürtige Berliner Bernard Stein vor 30 Jahren mit seiner Arbeit begonnen. Damals hat er Typografie benutzt, um Raum zu schaffen. Den Ansatz hat er weiterentwickelt, verschiedene Phasen durchlaufen und einen immer freieren Umgang mit Schrift entwickelt. Heute geht es ihm in erster Linie um die „visual education“: Wie hätte ein Geschäftsbericht in der Ming-Zeit ausgesehen? Und wie ein Flyer bei den Azteken? Das sind die Fragen, die Bernard Stein antreiben. Genauso wie im Nachschlagewerk „Typographie, wann wer wie“, das er mit herausgibt, knüpft er sich die typographische Kultur von ihren Anfängen bis heute vor. „Das ist unser Material, auf dem wir stehen“, lautet seine Überzeugung. Er spricht von kulturellen Sphären und davon, daß Wissen unserer Vorfahren bewahren und vermitteln zu wollen. Mit Kreide und Schwamm eröffnet der Lehrmeister den Schülern seine Gedanken und nimmt sie mit auf eine Zeitreise durch die Kultur. 

In seiner Arbeit erweist er sich als radikaler Rock`n`Roller. Text und Bild sind seine Grundlagen und werden wild in historische Epochen gesetzt, ohne ihre Originalität zu verlieren. Der Ansatz verblüfft: Für die Bauhaus-Zeit bedeutet das, Bauten mit klaren Formen zu entwerfen und schlichte, serifenlose Schriften zu verwenden. Bunter werden seine Hippie-Entwürfe, dann beginnen Buchstaben und Bild zu fließen und kreisförmig ineinander aufzugehen. Der Professor für Visuelle Kommunikation wandelt auf sehenswerten Pfaden!

(Foto: Gerhard Kassner)

Esther Dyson, ein Shootingstar zurück im Leben

Was für ein Auftakt! Das Programm der 14. TYPO Berlin ist mit Esther Dyson und ihrem Bericht über das Raumfahrttraining in der Nähe von Moskau gestartet. Esther Dyson im Raumanzug, Esther Dyson mit Gasmaske und in der Zentrifuge, sie erklärt ihre Fotos mit Geschichten über die Menschen und lässt ihre Augen dabei vor Glück funkeln. Ansteckend ist das, einem Menschen gegenüberzustehen, der Herausforderungen mit der Wucht des Willens und Lernens annimmt und begeistert. Ob sie das Training verändert habe, wird sie seitdem häufig gefragt. Sie lächelt: »I am the same, but something added.«

Wer Esther Dyson in die Augen sieht, der wird wilde Abenteuerlust erkennen. Wer den ganzen Blick auf Esther Dyson wirft, ihren schmalen Körper sieht und an die schwere Herausforderung denkt, dem werden leise Zweifel begegnen. Scheitern oder Überwindung?

Aber Esther Dyson hat es geschafft und die 6-monatige Ausbildung als Raumfahrerin in der Nähe von Moskau durchlaufen. Die renommierte IT-Journalistin und Bloggerin war die Reserve für Charles Simonyi. Der amerikanische Programmierer und Milliardär hat vor zwei Jahren mit seinem Flug als Weltraumtourist zur Internationalen Raumstation ISS für Schlagzeilen gesorgt. Wäre er bei seinem zweiten Flug im März verhindert gewesen, wäre die 57-Jährige Amerikanerin zu ihrem ersten Raumflug gekommen und mit der Sojus TMA-14 zur ISS geflogen.

Ein gelungener Einstieg in das diesjährige Typo-Leitthema Space. Space als Vision und als grafisches Element sind die naheliegenden Interpretationen. Space als Ausdruck der Unendlichkeit ein weiterer Ansatz, dem Esther Dyson auf ihre unvergleichliche Art von allen Konferenzteilnehmern vermutlich am nahesten gekommen ist.

(Foto: Gerhard Kassner)

illumination_reichstag

Das Reichstagsgebäude erstrahlt in neuem Licht

Ein Überraschung erwartet die Besucher der TYPO Berlin 2009, nur einen Steinwurf vom Haus der Kulturen der Welt entfernt. Am 2. Konferenztag, dem Vorabend des 60. Geburtstags der Bundesrepublik Deutschland, wird dem Deutschen Bundestag die neue Illumination des Reichstagsgebäudes übergeben. Mit Einbruch der Dunkelheit wird das Bauwerk dann in der neuen dauerhaften Gesamtillumination erstrahlen.

typo2009

Die neue Verantwortung

Die 14. TYPO-Konferenz wird anders als ihre Vorgänger. Nicht dramatisch anders, aber spürbar anders. Die Stimmung in der Grafikdesign-Szene hat sich in den vergangenen 24 Monaten verändert, was Debatten in Zeitschriften und im Fontblog beweisen. Die TYPO-Konferenz greift die neue Geschlossenheit der Designer auf und richtet der Branche ein Forum ein, um sich politisch aufzustellen. Jürgen Siebert schreibt in einem exklusiven Typoblog-Kommentar warum.

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