Erwin Bauer: Form Follows Passion

Erwin K. Bauer ist alpenländischer Landwirt und Kommunikationsdesigner mit einem herrlichen Wiener Akzent. Sein interdisziplinäres Designstudio »bauer – konzept & gestaltung« wurde zuletzt mit zahlreichen Preisen beim Red dot, beim European Design Award und dem österr. Staatspreis ausgezeichnet. Bauer unterrichtet er an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.

Nach seinem Vortrag über außergewöhnliche Designpartnerschaften mit Mut zum Risiko auf beiden Seiten gehen wir mit vielen interessanten Eindrücken und vor allem mit einigen Denkanstößen aus dem Saal. Erwin Bauers Schaffen orientiert sich an der Ideologie von Victor Papanek, als Vorreiter sozialen und ökologischen Designs in den 60er Jahren einer »seiner persönlichen Heros«. In der Auseinandersetzung mit der Frage, was wir heute wirklich brauchen ist es Bauers zentrales Anliegen, den Menschen im Design ins Zentrum zu stellen und Design als gesellschaftsgestaltende Kraft zu verorten. Wie das aussehen kann, zeigt ein außergewöhnliches Projekt: Über ein Jahr hat er mit seinem Team Botenfahrer befragt und portraitiert, die »als ungesehene Dienstleister einfach vorhanden sind, eher selten angesprochen werden und als schlecht verdienende Menschen in der Gesellschaft existieren«. Auf diese Idee gekommen ist Bauer, weil er selber jeden Tag 20 km durch Wien radelt. Sein Büro liegt in einem alten Industriegelände, von wo aus früher ein Drittel der Stadt mit Licht beliefert wurde und heute viele produzierende Werkstätten angesiedelt sind – optimal für ein multidisziplinäres Gestaltungsbüro, wo Designer, Architekten, Fotografen, Programmierer und Texter arbeiten. Fast alle Projekte entstehen in Zusammenarbeit mit anderen Ideengebern, zudem ist Bauer mit vielen seiner Kunden persönlich befreundet. Das heißt allerdings nicht, dass die Zusammenarbeit immer nur harmonisch ist. Am wichtigsten ist ihm, dass eine Idee mit Leidenschaft getragen wird und Identität sich zusammen mit dem Kunden entwickelt, »sonst überlebt das Design nicht«. Das demonstriert Bauer ausführlich anhand eines Projektes mit gesellschaftspolitischer Brisanz: »Kampf um die Stadt – Politik, Kunst und Alltag um 1930« ist eine Ausstellung, die den Zerfall der Gesellschaft während der Bürgerkriegsjahre in Österreich mit Parallelen zur Gegenwart thematisiert. Wolfgang Klos, Direktor des Wien Museums wollte dafür einen lebendigen Ort des Austausches schaffen, etwas Leidenschaftliches.

Leidenschaft ist für Erwin Bauer die Grundvoraussetzung seiner Arbeit. Trotzdem darf man »nicht egoistisch sein und manchmal bedarf es auch etwas Pragmatismus«. Die Frage ist, wie man die Ratio mit der Emotion vereint. Laut Erwin Bauer bringen es die 10 Gebote immer noch ziemlich genau auf den Punkt, die er zum Schluss abstrahiert in Form von Verkehrsschildern zeigt. »Ich glaube, wenn wir uns daran halten, ist es sehr einfach«.

Furore machen: Abenteuer im Zine-Land


Bei seinem dritten Auftritt auf der TYPO gewährt uns Piet Schreuders einen Einblick in seine eigene Laufbahn als Designer und Magazin-Macher.  Die erste Ausgabe seines Katzen-Fanzines “De Poezenkrant” hat er Mitte der Siebzigerjahre noch mit der Hand zusammengeklöppelt und im Copyshop um die Ecke vervielfältigt. Ohne sich viel dabei zu denken, kennzeichnete er diese Ausgabe als „#1“. Einen Fehler, so warnt er seine Zuhörer, den man, wenn man ein ähnliches Unterfangen startet, tunlichst vermeiden solle: Man wecke damit nur Erwartungen, dass weitere Ausgaben folgen werden. Und so wurde aus einer fixen “one-off”-Idee eine Zeitschrift, die bis zum heutigen Tage in unregelmäßigen Abständen erscheint. Dabei gleicht keine Ausgabe der anderen, das Design wird jedes Mal komplett neu entwickelt. Auch inhaltlich entspricht die Zeitschrift nicht den landläufigen Erwartungen vieler Katzenfans. Statt sinnvoller Ratschlägen zur Tierhaltung gibt es Skurriles, wie eine namentliche Auflistung von Katzen mit zugehöriger PLZ, statt niedlicher, wollknäueliger Kätzchenfotos eher verstörende Bilder von böse dreinschauenden Straßenkatern. Nichtsdestotrotz ist die Abonnentenschar im Laufe der Jahre von anfangs zwölf persönlichen Bekannten auf 3000 gewachsen. Inzwischen gibt es zum 30-jährigen Jubiläum sogar eine Anthologie in Buchform.

Das Magazin Furore, dessen erste Ausgabe Schreuders 1975 zusammen mit einer Gruppe gleichgesinnter Künstler und Schriftsteller herausbrachte, verfolgt ein ähnlich anarchistisches Konzept. Angetreten mit der frechen Aussage, das „wichtigste Kulturmagazin seit dem zweiten Weltkrieg“ machen zu wollen, genoss es Schreuder vor allem, nun einen Vorwand zu haben, alte Heroen wie Hergé und den niederländischen Autor Willem Frederik Hermans kennenzulernen.  Eine weitere Leidenschaft findet regelmäßig Niederschlag in Furore: die Lust, Drehorte geschätzter Filme zu recherchieren und zu besuchen. Die nächste Ausgabe der Furore wird etwa dem Film „Le Ballon Rouge“ gewidmet sein, dessen Originalschauplätze im Pariser Stadtteil Belleville Schreuders aufgespürt und fotografiert hat und nun im Magazin in Fotomontagen den Film-Stills gegenüberstellen wird.

Tomahawk und Exocet


Schriftdesigner Jonathan Barnbrook ist direkt aus Sydney zur Typo gekommen, und arbeitet gerade für David Bowie. Auch er bemüht Thomas Mores Utopia, beschreibt wie die Vorstellung von Utopia im Lauf der Jahrhunderte immer von korrespondierenden Schriften begleitet wurde.
Jonathan glaubt an die Verbesserung der Gesellschaft durch den Einfluss des Typedesigns. Sein erster Font, Prototype, war noch ohne Computer entstanden. Die Schrift litt allerdings unter einer Identitätskrise, sie vereinigte alle möglichen Schnitte in einer Buchstabenform. Barnbrook erkannte wie wichtig es ist, die historische Entwicklung der Buchstabenform zu beachten. Denn Grafikdesign soll schließlich die Kommunikation erleichtern.
Viele Menschen bringen ihre wahren Überzeugungen nicht in die Arbeit ein, so Barnbrook. Sein nächster Font, Prozac, bestand aus nur sechs Grundformen. Allerdings bestellen manchmal verwirrte Kunden das gleichnamige Medikament bei ihm und verlangen dann ihr Geld zurück.
Barnbrook wurde später vom radarabweisenden Stealth-Bomber und seiner zweckmässigen, bösen, pur funktionalen Form beeinflusst. Unsichtbare Form, aber starke Ästhetik, wie die Helvetica, so Barnbrook. Das Resultat, die Hopeless Diamond, war allerdings schwer lesbar. Es folgten die ebenfalls vom Militär beeinflussten Exocet und Tomahawk, basierend auf Lenkrakete und Marschflugkörper. Um die Schrift Mason gab es einen heftigen Disput, war sie doch ursprünglich nach dem Mörder von Polanskis Frau Sharon Tate, Charles Manson, benannt. Nach Protesten der Opferfamilien liess das Fontlabel Emigre das n fallen. Die Mason bleibt beliebt, auch Disney gestaltet DVD-Cover zum Beispiel für Schneewittchen, mit ihr. Was eine erstaunliche Karriere für einen Font ist, der ursprünglich von einem Serienkiller inspiriert war. Seine Schrift Tourette, benannt nach dem gleichnamigen Syndrom, bei welchem die Betroffenen Anfallsartig Schimpfwörter herausbrüllen, ist perfekt geeignet für dieses Zitat von Clockwork-Orange-Autor Anthony Burgess:

Fuck it,’ the fucking fuckers fucking fucked.

Ralf Herrmann: Speed Reading

»Speed Reading – Über die Lesbarkeit von Schriften und Verkehrszeichen«, so der Titel des Vortrags von Ralf Herrmann, den die Meisten wahrscheinlich von dem typografie.info-Forum kennen. Der Web-, Grafik- und Typedesigner hat in Weimar an der Bauhaus-Universität studiert, schreibt heute gerne typografische Fachbücher und gibt das Typografie-Magazin TypoJournal heraus.

Leitsysteme sind eine der spannendsten Bereiche im Grafik Design, doch Verkehrsleitsysteme sind dabe meist außen vor, werden kaum beachtet. Schrift ist dabei nur ein Puzzleteil eines Leitsystems. Wie kam Ralf Herrmann überhaupt auf das Thema Verkehrszeichen? Alles begann vor vier Jahren bei einem Urlaub in Nordamerika, wo es einen Schriftwechsel (von FHWA E Modified auf Clearview Hwy) gab. Er hat sich gefragt, wie eine Schrift gestaltet sein muss, damit sie auf Schildern optimal lesbar ist und was Lesbarkeit selbst überhaupt ist. Lesbarkeit ist unter typografischen Gesichtspunkten die grafische Darstellung der Schrift, was eigentlich eine etwas schwammige Aussage ist; Generell heißt es: Gemischter Satz ist besser lesbar als Versalschreibweise, Serifenschriften sind besser lesbar als serifenlose Schriften. Nur, warum werden auf den Verkehrszeichen dann keine Schriften mit Serifen verwendet? Eine allumfassende Definition, was Lesbarkeit ist, gibt es nicht. Ralf Herrmann hat ein Zwiebelschichtenmodell entwickelt bei dem er in Buchstaben- und Textebene unterscheidet. Die Buchstabenebene, welche Lesbarkeit, Erkennbarkeit und Unterscheidbarkeit beinhaltet, kann zur Lesbarkeit von Schrift führen. Die Textebene hingegen bezieht sich auf die Lesefreundlichkeit und alles, was nicht direkt der Erkennbarkeit dient.
Der Wunsch nach Orientierung ist bei den Menschen tief verwurzelt, schon früh standen entlang der Wege Meilensteine. Diese haben nur gesagt, wo man sich befindet, nicht aber in welche Richtung es geht. Diese Auskunft geben Verkehrszeichen. In Deutschland schwört man seit den 30er Jahren auf den Einsatz der streng nach einem Raster aufgebauten DIN-Schriften. Was vielleicht nicht jeder weiß: Eigentlich kann jede Gemeinde selbst entscheiden, welche Schrift sie auf ihren Schilden verwendet (Beispiel: Bamberg). Auf polnischen Verkehrsschildern sind geometrische Schriften, also Schriften, die auf geometrische Grundformen heruntergebrochen werden können, zu finden. Ebenfalls in Schweden. Seit 10 bis fünfzehn Jahren ist beim Einsatz von Schriften bei Verkehrszeichen ein Wandel zu beobachten: Digitale Schriften (»Druckschriften«) werden vermehrt eingesetzt, wie etwa in Amerika. Das Licht der Scheinwerfer wird von retroflektierenden Formen zurück geworfen, um die Lesbarkeit zu optimieren. Ein weiteres interessantes Beispiel sind die Niederlanden mit ihren »fingerpost-Schildern«, die alle eine feste Größe haben, unabhängig vom Text. In Deutschland hängt die Größe der Schilder von der Textmenge ab. Zusammenfassend ist also zu beobachten, dass im 20. Jahrhundert vor allem geometrische und rasterbasierte Schriften auf Verkehrsschildern zu finden waren. In den letzten Jahren wird mehr und mehr das Prinzip der Druckschriften auf die Schilder gebracht. Was bleibt ist das Problem mit dem variablen Leseabstand. Ralf Herrmann, der selbst mit Wayfinding Sans Pro eine Schrift für Leitsysteme entwickelt hat, hat eine Software programmiert, die zeigt, wie die gut oder schlecht die Schrift bei welchem Abstand zu lesen ist.
Der Designer stellte eine interessante Studie vor, die besagt, dass wir die Teile eines Buchstabens lesen, die von anderen Buchstaben abweichen. Sprich: die Ober- und Unterlängen werden besonders wahrgenommen. Man könnte meinen, dass Schriften mit dicker Schriftstärke besser zu lesen sind. Doch das Gegenteil ist der Fall. Ralf Herrmann baut seine Schrift Wayfinding aktuell weiter aus, im Moment gibt es nur eine Betaversion. Er freut sich über Kunden, die ein Leitsystem mit dieser Schrift gestalten möchten. Weitere Informationen als in dieser Vortragszusammenfassung können in der aktuellen Ausgabe des TypoJournals rund um »Wayfinding und Lesbarkeit« nachgelesen werden. Es ist am Bücherbogen, dem Bücherstand auf der Typo, erhältlich.

David Berman: How to make the planet your client.

With a spontaneous appearance, David Berman filled the empty slot at 1pm today at the stage. His talk was titled ‘How to make the planet your client’ and showed the crowd the good, the bad and the ugly that design and the world around us currently are.

David started his own quest for better design as a typographer when he suddenly asked himself:

“If the message I put out in the big world isn’t contributing to a better world, than why am I doing it?”

With the mass’ discovery of the fact that our ecosystem is dying (thanks to Al Gore amongst others) David’s prying question suddenly found an audience. Ever since that moment he has been talking on the topic of Sustainable Design thoughout the world.

In his passionate talk he confronted us with the ethical question that goes with the design profession.
And if that wasn’t enough, with one fell passionate swoop he attested that we, as a Design community, now (more than ever) have the responsibility and the power to make the world a better place to live.

So how does one make the planet your client? Through showing the crowd inspirational examples of actual ‘Sustainable Design’ projects, David illustrated that doing something ‘sustainable’ doesn’t have to be complicated and isn’t limited to creating solar energy solutions and windmills. He didn’t however, go as far as to actually show us how to do properly. (With the exception of doing the ‘do good pledge).

In short David Bermann’s presentation was a passionate wake-up call and an inspirational moment for many. Reminding us once again that living in harmony in our planet and environment is the only way for us to survive.

Uta und Thilo von Debschitz: Infiziert! Der Bildervirus des Dr. Fritz Kahn

Alles begann mit dem Bild „Der Mensch als Industriepalast“. Thilo von Debschitz entdeckte es in einem Magazin und war fasziniert davon. Zusammen mit seiner Schwester recherchierte er, von wem das Bild stammte und kam so auf Fritz Kahn. Die beiden horchten bei dem Namen auf, denn er und seine Schwester standen schon länger mit der Familie von Emanuel Kahn in New York in Verbindung. Es stellte sich heraus, dass Fritz Emanuels Vater war. Die Geschwister wollten mehr über diesen unbekannten Fritz Kahn erfahren und begannen ihre Recherche im Internet. Es kamen Schnipsel und Fragmente zusammen, weiteres Bildmaterial zu finden gestaltete sich allerdings nicht gerade als einfach. Aber Thilo und Uta von Debschitz waren infiziert. Die Idee zu einem Buch über Fritz Kahn war geboren.
Die beiden ließen sich nicht entmutigen, weder von Emanuel Kahn, der meinte, dass sich doch niemand mehr für diese Bilder interessieren würde, noch von ihrem Verlag, der ihnen nach einer ersten Zusage wegen der zu hohen Produktionskosten doch wieder eine Absage erteilte. Die Geschwister entschlossen sich, die Tausenden von Bilder aus den Büchern Kahns selbst zu scannen (rieten dem Publikum aber gleich, so etwas niemals selbst zu machen) und überzeugten den Verlag.
Die Bilderwelt des Fritz Kahn sind medizinische populärwissenschaftliche Bilder, die das Leben des Menschen zeigen. Die Illustrationen sollten den menschlichen Körper einer breiten Masse zugänglich machen. Typisch sind zum Beispiel die Körperlandschaften oder Reisen des Menschen durch den Körper.
Uta und Thilo von Debschitz haben diesen vielseitigen Arzt, der in Deutschland totgeschwiegen wurde, wieder aus der Vergessenheit geholt. Zu ihrem eindrucksvollen Buch organisierten sie auch eine Ausstellung in der Berliner Charité. Übrigens war Emanuel Kahns Skepsis schon während des Projektes gewichen – sprachlos vor Freude war er an seinem 85. Geburtstag, als Thilo von Debschitz als Überraschungsgast mit einer frisch gedruckten Ausgabe von „Fritz Kahn – Man Machine” unterm Arm ihn in New York besuchte.

Mehr über Fritz Kahn kann man hier erfahren.

Andrea Tinnes: Lust auf Buchstaben

Andrea Tinnes lebt und arbeitet als Grafik- und Schriftdesignerin in Berlin. 2004 gründete sie ihr eigenes Fontlabel typecuts. 2008 wurde sie als Professorin für Schrift und Typografie an die Hochschule Burg Giebichenstein in Halle berufen. In ihrem Vortrag »Lust auf Buchstaben« stellte sie einige ihrer eigenen Arbeiten vor, sprach über ihre eigene Begeisterung und Lust auf Buchstaben und skizzierte die Herausforderungen bei der Lehre. Darüber hinaus ließ sie auch zwei ihrer Studenten zu Wort kommen.

Warum existiert eigentlich das Interesse an Schriften und die Lust auf Buchstaben? Man könnte ganz einfach sagen, dass es ohne Schrift keine Kommunikation gibt. Doch es ist noch viel mehr: Das Alphabet ansich ist ein vermeintlich starres System. Mit Veränderungen und Kombinationen lässt sich daraus ein wahrer Formenschatz generieren. Andrea Tinnes, die in Kalifornien dank eines Stipendiums studiert hat, wurde dort von Ed Fella und Jeffrey Keedy beeinflusst. Bei Ed Fella, der erst mit 47 Jahren ein Masterstudium gemacht hat, begeistert sie die Spielfreude und die Lust, wie er Buchstaben (illustrativ) verändert. Das Büro von Fella ist ein Glaskasten an der Hochschule. Dort können Studenten vorbei kommen und seinen Fundus an Aufnahmen von Werbegrafiken im öffentlichen Raum anschauen, den er seit den 70er Jahren angesammelt hat. Jeffrey Keedy mit der Keedy Sans ist bekannt für Katalage, Type Specimen, aber auch für kontroverse Texte wie im eye magazine (Aussage: »Dark age of type design« als es um das »golden Age of type design« ging). Er hat ein umfangreiches Wissen zu Schrift und Schriftgeschichte und durch ihn hat Tinnes viele interessante Personen kennengelernt. Die Grafik- und Schriftdesignerin lernte in Kanada die Lust auf Form und Farbe auszuleben. Form ist immer auch an einen Inhalt verknüpft, das ist das Spannende. Sie interessiert das Ganze Spektrum von Schriften – von 3D-, über geometrische bis hin zum ornamentalen Fonts. Zudem arbeitet sie sehr gerne mit Farben, bei ihr ist alles bunt, das ist ihr gerade nach der Arbeit mit Fontlab ein großes Bedürfnis.

Nachfolgend ein kurzer Einblick in die Projekte von Andrea Tinnes: Die erste Schrift, die die Type-Designerin 2001 entwickelt hat, heißt Skopex. Sie hat viele kleine verspielte Details und asymmetrische Serifen. Ihre eigenen Schriften wendet die junge Professorin sehr gerne bei ihrer Gestaltung an. Ihr besonderes Interesse gilt Ornamenten und floralen Elementen. Davon inspiriert entwickelte sie von 1999 bis 2001 mit Volvox ein eigenes Schriftensystem, das ganz tolle Effekte hat, wenn man die ornamentalen Schriften übereinander legt. Für das Hotel Easter Columbia konzipierte und gestaltete sie eine Wortmarke und erstellte dazu eine Outline-Schrift, die beliebig kombinierbar ist. Roletta heißt ihre neueste Schrift, die gerade zur Typo fertiggestellt wurde. Sie ist entstanden als Corporate Font während einem Pitch für rbb, den sie nicht gewonnen hatte. Damals hatte die Schrift runde und eckige Ecken, inzwischen sind es nur noch Rundungen. Von Regular bis Black verfügt sie über alle Schnitte sowie über einen großen Zeichenbestand. Für das Projekt »Deutschland in Vietnam« wurde die Roletta jüngst verwendet und um Zeichen des vietnamesischen Zeichensatzes, zwar ein arabischer aber relativ umfangreicher Zeichensatz, ergänzt. Für das Buch Typolyrics von Slanted fertigte sie eine Illustration zu dem Lady Gaga-Song Telephone an. Bei einem anderen Projekte für die Expo Shanghai 2010 wurde sie von Alex Branczyk gefragt, ob sie eine Seite eines Typocubes zum Thema »Berlin – Stadt der Kontraste« gestalten könne. Ihr Kontrast – zwischen nüchtern und ekstatisch – drückt sich in einem &-Zeichen aus.

Bei dem nächsten Vortragspunkt, der Lehre, stellt sich ihr die Frage, wie sie Leidenschaft für Schrift weitergeben kann. An der Burg Giebichenstein unterrichtet sie im ersten Semester im Schnitt 50 bis 60 Studenten pro Klasse und führt diese an die typografischen Fragestellungen heran. Sie sollen Buchstaben als Gestaltungsmerkmal verstehen und dies spielerich mit Typo-Plakaten, einem Typo-Garten (zur Langen der Wissenschaften) oder Schrift-Zeit-Reisen erfahren. Andrea Tinnes zeigte Arbeiten aus dem ersten Semester, die sich auf die unterschiedlichsten Weisen mit Schrift und Typografie auseinandergesetzt haben. Zum Schluss kamen noch zwei ihrer Studenten zu Wort, ein sehr netter und symphatischer Zug der charmanten Rednerin.

Carlos und die Gullydeckel aus Indien

Carlos Segura

Carlos Segura flüchtete im zarten Alter von neun Jahren mit seiner Familie aus Kuba in die USA. Die Seguras stammten ursprünglich aus Spanien, und waren im Kaufhausgewerbe. Man wurde in Kuba nicht wirklich froh, also ging die Reise weiter nach Amerika. Der kleine Carlos bekam gleich nach der Ankunft eine Coke in die Hand gedrückt, spuckte die National-Brause aber wieder aus, weil auf seiner Zunge noch nie Blasen geprickelt hatten. Während er die Limonade vergaß, prägte Segura sich das Design eines Werbeschildes der Tankstellenkette Sunoco ein, und der erste Schritt in einer erstaunlichen typografischen Karriere war gemacht.
Segura begann mit 12 in einer Band zu spielen, und wurde später in Personalunion der Manager, Schlagzeuger und Fahrer der Kombo. Außerdem fing er an die handgezeichneten Flyer der Band zu entwerfen. Der Anfang seiner Grafikdesignkarriere war gemacht. Was folgte waren Segura inc und die berühmte Fontschmiede T26.
Unter dem Motto »Communication that doesn’t take a chance doesn’t stand a chance« wurde bei Segura die doppelt mit dem Red Dot Award ausgezeichnete Kampagne für die Stockfotoagentur Corbis samt der später dazugekauften Agentur Reuters entwickelt. Corbis steckte in einer schweren Krise, und Seguras Kampagne hat den Laden gerettet. Mit dem CROP Katalog besann sich Carlos auf die Einbeziehung der konzeptionellen Realität in den Job. Fotokataloge waren nicht mehr völlig abgehoben verpackt, sondern sahen plötzlich so aus wie die Portfolios, mit denen Fotografen die Bildredaktionen besuchten um ihre Bilder anzupreisen. Bilder wie die Porträts von Kurt Cobain und Charlton Heston wurden gegeneinandermontiert, wobei der eine sich in den Kopf geschossen hatte, während der Andre als Boss der mächtigen National Rifle Association nur Knarren im Kopf hatte.
Carlos präsentierte eine Kampagne für den Federgabelhersteller Rock Shox, für den das Logo leicht überarbeitet worden war. Segura inc. half dem Kunden dabei sich mittels eines innovativenb Katalogs von der Konkurrenz anzusetzen, der Buchblock war gemäss des neuen claims »The earth is not flat« in der Terrainstruktur des firmeneigenen Testgeländes bei Las Vegas abgestuft.
Segura zeigte unter dem Label 5inch.com produzierte, vorgestaltete CD-Rohlinge, eine bei DC/Vertigo erschiene Comicreihe von Grant Morrisson, deren Cover eher an militärische oder Apothekenfachliteratur erinnerten als an Grafiknovellen.
Carlos wundert sich darüber dass die Gullydeckel der Amerikanischen Metropolen inzwischen in China, Indien oder Mexico hergestellt werden, und folgert daraus dass »Everybody wants more because it sounds like progress«

Yves Peters 2009

Yves Peters: Fonts – A passionate love story

Imagine a world where typography designers wouldn’t get paid for their work but instead would be supported by the »STD« (or »Support for Typographic Designers«) foundation.
Instead of paying money for groceries, clothes or other necessities, designers would just show their STD identification card and get whatever they want.

Kundenbindung durch Passion und Know-how

“Kundenbindung ist ein Wort, das man aktuell fast überall hört. Noch stärker gesagt wäre das: Die Kunden unserer Kunden binden,” so Daniel-Jan Girl ganz am Anfang seines Vortrags, in dem er bei der Kundenbindung die Bereiche Passion und Know-how aufgesplittet hat. Doch brauchen tut man beides. Die Grundlage der Kundenbindung sind Emotionen, Passion, Leidenschaft. Dies ist wichtig zu wissen, da gerade Akquise ein sehr leidiges Thema sein kann. Know-how definiert der Experte für Kundenbindung als die Erfahrung von Fehlern an sich, also die Fehler, die man nicht mehr machen möchte. Know-how als die Erfahrung, Wissen anzuwenden.

Grundlage der Kundenbindung ist aber auch die einfache und schnelle Kommunikation. “Gute Kundenbindung ist die beste Kundengewinnung,” lautet eine altbewährte Regel von Girl, der darauf hinweist, dass eine Kundenbindung unbedingt auch belastbar sein muss. Doch wie kann man Kunden binden? Beispielsweise mit Kundenmagazinen, Flyern oder auch Kundenkarten, die jeder in seinem Geldbeutel hat. Wichtig sind Rabatte, USP und Überzeugung sowie auf jeden Fall die Kernleistung, welche stimmen muss. Zudem sollten Strukturen, zum Beispiel mit einem Content-Management-System (CRM) geschaffen werden, damit eine zentrale Plattform im Hintergrund laufen und von vielen bedient werden kann. Daniel-Jan Girl betont, dass man vor zehn Jahren noch erklären musste, was eine Kundenkarte ist (“… die Karte im EC-Kartenformat.”); heute kaum noch vorstellbar.

Ein sehr nahe liegender, wichtiger Punkt ist die persönliche, individualisierte Ansprache – gerne per E-Mail oder Brief, wobei letzterer wieder an Bedeutung gewinnt. Denn, wer will schon nur Rechnungen erhalten? Schöner ist es, auch mal einen Gutschein, einen Rabatt-Coupon oder ein Geschenk zugeschickt zu bekommen. Darüber hinaus sollte bei Kundenbindungsmaßnahmen immer wieder aktiv nachgelegt werden – also eine Kontinuität erkennbar sein – und der Kunde sollte nicht durch langweilige oder einmalige Aktionen ermüdet werden. Ebenfalls nicht zu unterschätzende Themen sind Suchmaschinenoptimierung (Google), die regelmäßige Aktualisierung der Website oder auch Social Media. Was kann also jeder tun? Zunächst – wie eigentlich immer – analysieren und Ziele definieren und diese Ziele dann mittels einem Weg und dem notwendigen Mitteleinsatz erreichen.

“Know-how kann man einkaufen, Passion muss man haben.” Da sagt der Referent etwas Wahres und blickt zugleich in die Zukunft, bei der sich alles um mobiles Internet und Apps, RFID (Radio Frequency Identification)-Technologien, die Anpassung an den Konsumenten oder die Vereinfachung aller Abläufe durch die Technologie drehen wird.

Vieles des Genanntem erscheint einem klar und selbstverständlich, es muss einem nur mal wieder vor Augen geführt und dann auch gelebt werden. Ein Vortrag, der weniger aus Design denn aus BWL’er Sicht gehalten wurde, aber gerade auch für Designer nützliche Tipps enthalten hat.

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