Fragenziehen: Ferdinand Ulrich

Wir haben „Fragenziehen“ mit dem Typografen, Schriftforscher und TYPO Sprecher Ferdinand Ulrich gespielt. Das Spiel geht einfach: Ferdinand zieht einen Begriff, legt ihn neben die Karte „Schrift“ und antwortet, was im dazu einfällt. Assoziativ und schnell.

von Lukas Horn

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Schrift & Verantwortung

Das ist ein gutes Thema, denn viele Studenten fragen immer nach der Relevanz von Schrift.

Mir fällt ein Beispiel ein, dass ich relativ früh im Studium von einer Professorin erzählt bekommen habe – es ist allerdings auch ein Extremfall. 1996 sind im Düsseldorfer Flughafen mehrere Menschen bei einem Brand am Rauch erstickt, weil sie die Notausgänge nicht gefunden haben. Offenbar hat das Leitsystem damals versagt. MetaDesign wurde damals beauftragt, innerhalb von sechs Wochen ein neues Leit- und Orientierungssystem zu entwickeln. Der Wahlkamp in den USA im Jahr 2000 ist auch ein prominentes Beispiel. Die Interfaces auf den Wahlmaschinen waren angeblich so schlecht gestaltet, dass zahlreiche Wähler, die Al Gore favorisiert hatten, auf den Bush-Knopf drückten.

Schrift & Kunst

Ich mach’s einfach kurz, ja? Schrift und Typografie sind keine Kunst – unter Umständen aber schon.

Schrift & Monopol

Das ist ein spannendes Thema. In letzten Jahren wurden immer wieder darüber diskutiert, ob große Firmen in der Branche Monopole einnehmen. Ich glaube, wir haben eine ganz gute Mischung aus großen Büros, aus mittleren, aus kleinen Ein- oder Zwei-Mann-Büros, oder Zwei-Frau-Büros. Manche bieten nur eine Handvoll Schriften auf ihren Website an. Aber letztlich ist doch für jeden etwas dabei: man kann sich entscheiden, ob man mit Leuten arbeiten möchte, die schon seit Jahrzehnten Schriften herstellen, ob man zu großen Anbietern geht oder ob man bewusst kleinere Unternehmen unterstützt. Ich denke, momentan ist die Szene recht ausgewogen.

Civ_ZnfXIAUiJ73 Ferdinand Ulrich als Abschlusssprecher auf der TYPO 2016

Schrift & Idee

Es gibt so einen Mythos, dass man früh morgens mit einer Idee für eine neue Schrift aufwacht. Für viele Kollegen funktioniert das so aber gar nicht. Ich kenne viele Schriftdesigner die, wie Grafikdesigner, einen konkreten Auftrag brauchen. Das heißt, die Idee entspringt eigentlich aus einer Problemstellung, bei der die Schrift eine Problemlösung darstellen kann.

Schrift & Geld

Ein ganz wichtiges Thema, das ich auch immer vor meinen Studenten anspreche. Man muss sich sich immer wieder vor Augen führen, dass viele unserer Kollegen von Schriftentwurf und Schriftentwicklung leben. Natürlich kann man als Student nicht für jedes Uni-Projekt gleich eine Schriftlizenz erwerben. Sobald ein Projekt kommerziell wird, sollen jedoch auch die Schriftentwerfer ihren Beitrag erhalten und entlohnt werden. Natürlich kosten Schriften Geld – in ihnen steckt unglaublich viel Arbeitszeit und Schweiß.

Ferdinand Ulrich ist Typograf und Schrifthistoriker. Er ist Designer bei p98a und arbeitet dort mit Erik Spiekermann zusammen an verschiedenen Projekten. Er hat an verschiedenen Unis und Fachhochschulen unterrichtet. Bei der Typo Berlin 2016 hielt er die Abschlussrede in Ehren an Gudrun Zapf-von Hesse.

© Norman Posselt · www.normanposselt.com

Ferdinand Ulrich

Typographer / Type Researcher (Berlin)

Ferdinand Ulrich is a typographer and a design researcher. At p98a.berlin he explores with Erik Spiekermann how letterpress can be redefined in the twenty-first century. His research and writings on type history have been published in the US, in the UK and in Germany. Ferdinand regularly teaches typography (UdK Berlin, Burg Halle, FH Potsdam) and gives guest lectures (MIT Media Lab, Cooper Union, Carnegie Mellon University, and others). Since 2015 he has been working on a PhD at the University of Reading, researching the transition of type design technologies in the early digital era. The project is supervised by Gerry Leonidas and Sue Walker and is funded by the AHCR in the UK.

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