Der gläserne Entwurfsprozess

»Open it all up!« – Michael Johnson sucht nach neuen Möglichkeiten, Prozesse im Bereich Branding zu verändern.

von Nina Sieverding

 

Foto: © Gerhard Kassner / Monotype

Michael Johnson ist ein Profi. Seine Vortragszeit hat sich durch seinen Vorredner verkürzt – doch die Aussicht auf Zeitknappheit verunsichert ihn offenbar nicht. Er präsentiert souverän, jede Bewegung (und jeder Witz) sitzt. Johnson wirkt, als hätte er beruflich schon alles erlebt. Und eigentlich stimmt das auch: Zehn Jahre hat er als erfolgreicher Grafikdesigner gearbeitet, in der jetzigen »zweiten Hälfte seines Berufslebens« entwickelt er mit seiner Agentur Johnsonbanks starke Markenauftritte. Johnson kennt also beide Seiten: Die des Designers und die des Branding-Strategen.

»We should share what we do. We should share how we do it. Design can make a difference.«

 
Dennoch: Der Brite ist überzeugt, dass sich etwas in der Szene ändern muss. »Open it all up« ist nicht nur der Titel seines Vortrags, sondern auch seine neue These. Kurz: Design-Prozesse müssen transparent werden. Aus diesem Grund gibt sich der Redner auf der TYPO-Bühne bewusst locker: »I open up how I work and you can all steal it. I think it’s time that we share these kinds of things.«

 

Eine kleine Geschichte des Brandings – von 1882 bis in die Gegenwart

Nach einem kleinen Crashkurs »Branding für Einsteiger« (vom Bass Pale Ale in Manets Gemälde Un bar aux Folies Bergère bis zum Lufthansa-Kranich) präsentiert Johnson die Arbeiten, deren Entstehungsprozesse ihn zum Nachdenken gebracht haben. Vornehmlich sind dies Projekte, die bei Johnsonbanks für Non-Profit-Organisationen entstanden sind – beispielsweise ein Rebranding für Mozilla. Die »Verfechter des freien Internets« hatten eine ungewöhnliche Anfrage an die Agentur: Sie wollten den kompletten Entwurfsprozess der Öffentlichkeit zugänglich machen. In einer Art »Logo-Casting« konnten Interessierte ihre Meinung zu verschiedenen Entwürfen äußern – die Favoriten der User wurden weiterentwickelt und am Ende ein finaler Entwurf ausgewählt. Weiterhin spricht Johnson über sein Rebranding für die NGO »Action Against Hunger« und präsentiert eine groß angelegte Kampagne für die Universität Cambridge. In Zeiten von Open Design ist Johnsons »Open-it-all-up-Gedanke« nicht ganz neu. Zudem tut sich Michael Johnson mit seinen selbst gesteckten Zielen selbst noch etwas schwer. Den Designprozess des Mozilla-Rebrandings hat Johnson nach eigenen Angaben nur widerwillig publik gemacht, sein Vortrag enthält leider nicht mehr »Insider-Wissen« über Entwurfsprozesse als die meisten Portfolio-Präsentationen. Trotzdem ein löblicher Ansatz – und vor allem: wahnsinnig souverän präsentiert.

 
Weitere Links
Johnsonbanks’ Kampagne für die Universität Cambridge

Rebranding für »Action Against Hunger«

Mozilla-Blog zum Rebranding

Michael Johnson

Michael Johnson

‎Creative Director, Principal / johnson banks (London)

Johnson Banks defines then design brands that want to make a difference: tackle hunger; fight for an open internet; raise billions for education; bring culture and enlightenment to the world; shift paradigms and change lives. Johnson’s clients include Cambridge University, Action Against Hunger and Mozilla. His new book, “Branding: In Five and a Half Steps” is a best-seller on both sides of the Atlantic.