Interview: Eps51 – Bi-Scriptual-Gestalten mit Multiple Scripts

Erbprinzenstraße 51. Kurz: Eps51. Ben Wittner und Sascha Thoma arbeiten an der interkulturellen Kommunikation. Wie man Harmonie zwischen den Schriftsystemen der Welt schafft, soll möglichst bald in einem Buch beantwortet werden. Nur der Verlag fehlt noch.

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Written by Rik Watkinson

Foto: Sebastian Weiß / Monotype

Eigentlich wollten sie in Kairo „nur“ studieren. Zum Glück entschieden sich Ben und Sascha aber dafür, die lokale Kulturszene zu entdecken. In der Townhouse Gallery lernten sie internationale Designer kennen und gestalteten erstmals Plakate mit mehreren Schriftsystemen. Ihre erfolgreiche Right-To-Left Ausstellung und viele Multi-Script-Publikationen folgten.

 

Was bedeutet für euch Harmonie?
Ben: Harmonie bedeutet nicht immer, dass die arabische und lateinische Schrift möglichst gleich erscheinen. Jede heute veröffentlichte arabische Schrift hat ein lateinisches Pendant. Das war vor fünf Jahren noch ganz anders. Den kulturellen Unterschied zu betonen, ist manchmal sogar die bessere Lösung. Wir waren von Anfang an gezwungen, verschiedene Schriftkonzepte gegenüberzustellen. Die technischen Möglichkeiten ließen damals wenig zu. Um arabische Schrift in Freehand darzustellen, brauchte man fünf verschiedene Programme. Das war super kompliziert, aber es ging nicht anders. Wenn sich in eine Visitenkarte ein Fehler einschlich, konntest du wieder komplett von vorne anfangen.
 
Nutzt ihr spezielle Multi-Script Schriften, oder kombiniert ihr frei drauf los?
Ben: Mittlerweile suchen wir vermehrt Schriften aus, die uns gefallen. Vorausgesetzt, sie passen zueinander. Es ist einfacher Schriften auszuwählen, die füreinander gemacht sind. Aber der einfache Weg ist nicht immer der beste.
Sascha: Es gibt allerdings einen Unterschied beim Corporate Design. Da kommt es darauf an, dass Markennamen und Web-Adressen in lateinischen Buchstaben innerhalb eines arabischen Textes möglichst gleich erscheinen. Hier lohnt es sich auf Multi-Script Schriften zurückzugreifen.
 
Eure Schrift Baseet, die ihr zusammen mit Pascal Zoghbi von 29LT gestaltet habt, wurde kürzlich als umfangreiches System mit 16 Schnitten erweitern. Wie kam es damals zu dem Projekt?
Ben: Contemparabia war ein Projekt im Rahmen der Art Dubai. Wir hatten uns bei der visuellen Identität für die Simple von Norm entschieden, fanden aber auch mit Pascals Hilfe kein passendes Äquivalent. Da beschlossen wir gemeinsam eine Schrift zu gestalten. In dem Fall war es nicht nur wichtig den gleichen Schwarzwert, die gleiche Strichstärke, sondern vor allem die Eigenschaften einer Schreibmaschinenschrift zu haben.
 

Foto: Sebastian Weiß / Monotype

Inwieweit hat das Projekt eure Lust geweckt, mehr Zeit in Schriftgestaltung zu investieren?
Sascha: Klar, aber genau diese Zeit fehlt uns. Wir mussten uns für Grafikdesign oder Schriftgestaltung entscheiden. Wir produzieren zwar hin und wieder Schriften, aber das sind projektbasierte Display-Schriften, die auf einen übersichtlichen Zeichensatz reduziert sind.
Ben: Die passen auch eigentlich gar nicht ins Budget. Aber wenn man schon mit kleinem Budget in ein Projekt einsteigt, dann ist es egal, wenn man auch noch eine passende Schrift dazu entwirft.
 
Im Anschluss an die Right-To-Left Ausstellung in Berlin scheiterte eine Fortsetzung in Bahrain. Wird es eine Right-To-Left II geben?
Sascha: Ja, aber in abgeänderter Form und wahrscheinlich nicht in Berlin.
Ben: Leider gab es damals eine Umstrukturierung im Kulturministerium. Über ein halbes Jahr lang gab es kein Geld mehr für kulturelle Projekte. Total schade, weil alles schon fertig war. Wir hatten ein neues Programm mit Sprechern aus der Region vorbereitet. Die Posterkollektion war mit weiteren Arbeiten von lokalen Designern erweitert worden. Als der Laden wieder lief, hatte sich die Sache wieder im Sand verlaufen. Aber jezt ist erstmal Bi-Scriptual dran.
 
Bi-Scriptual entsprang einem Semesterprojekt der UdK Berlin. Der Markt schreit geradezu nach dieser Publikation. Warum ist es so schwer einen Verlag zu finden, dass du sogar deine Telefonnummer im Talk opfern musstest?
Ben: Es ist bereits alles da. In der Publikation werden acht Schriftsysteme intensiv vorgestellt. Lange Texte von Experten und Anwendungsbeispiele aus 28 Gesprächen mit Designern. Es werden Arbeiten von über 100 Studios vorgestellt. Das Buch soll hauptsächlich in Englisch erscheinen, dazu die Interviews in den jeweiligen Schriftsystemen. Wegen der individuellen Möglichkeiten und Ansprüche, wird auch jedes Kapitel anders gestaltet. Alle Multi-Script Möglichkeiten werden ausgeschöpft. Wir suchen gezielt nach einem Verlag mit großem Distributionsnetz. Das Buch soll möglichst überall erhältlich sein. Diesen Verlag haben wir leider noch nicht gefunden.
 
Habt ihr auch darüber nachgedacht Bi-Scriptual digital verfügbar zu machen. Über eine große Multi-Script Plattform?
Ben: Wir wollen jetzt erstmal das Buch veröffentlichen. Was danach kommt ist offen. Die Gedanken sind frei und wir haben viele.
 
Woher stammt der derzeitige Hype um arabisches Design?
Sascha: Zum einen zeigen die Menschen in arabischsprachigen Ländern seit ungefähr 10 Jahren ein viel größeres Interesse an Gestaltung. Es gab davor sehr wenig digitalisierte Schriften. Die technischen Möglichkeiten sind rasant gestiegen. Das arabische Grafikdesign profitiert stark von der Schriftgestaltungsszene.
 
Wie sieht diese Szene aus?
Sascha: Es gibt zwei Lager. Eins orientiert sich stark an kalligrafischen Wurzeln, das andere nimmt diese Wurzeln und lässt daraus, teils experimentell, etwas völlig Neues entstehen.
Ben: Wie zwei Kontrahenten, die mittlerweile zusammengewachsen sind. Die einen vereinfachten die Formen und näherten sie stark dem Lateinischen an. Die anderen nutzten den technischen Fortschritt, um noch mehr Ligaturen einzubauen, die die Schriften lebendiger und kalligrafischer machten.
 

Foto: Sebastian Weiß / Monotype

 
Müsst ihr eure Auftraggeber von Multi-Script Gestaltung überzeugen?
Sascha: Wir versuchen sie dahingehend zu beraten. Wir wollen zeigen, was Multi-Script Gestaltung erreichen kann. Sowohl sprachlich, als auch grafisch stößt es immer auf großes Interesse beim Publikum.
Ben: Das gehört bei interkulturellen Projekten dazu. Allein aus Respekt. Wenn du eine Ausstellung über einen arabischen Künstler machst und nur einen Text auf Deutsch anbietest, hast du ganz klar dein Ziel verfehlt.
Bei Right-To-Left ging es um den interkulturellen Austausch. Wir hatten nur das Budget für zwei Sprachen. Trotzdem haben wir ein viersprachiges Poster gestaltet. Einfach um den interkulturellen Aspekt darzustellen. Ein wenig später haben wir noch eine arabische Publikation nachgelegt.
 
Ist es nur der Eindruck aus der „Berlin-Bubble“, dass immer mehr Projekte auch in mehreren Skripten gestaltet werden?
Sascha: Auf keinen Fall. Das ist sogar eine internationale Strömung. Erst kürzlich gab es wieder in Basel eine Vortragsreihe zu Multi-Script Gestaltung. Es gibt ein globales Interesse.

Weiterführende Links
Eps51
Right-To-Left
Baseet
Khatt Foundation

EPS51

Eps51

Design Studio (Berlin)

Ben Wittner and Sascha Thoma both studied visual communications in Pforzheim, Germany. After a few long-term living and working trips to Cairo, Brussels, Paris, Brighton and London they founded Eps51 in Berlin in 2008. The internatio­nally active graphic design studio develo­ps visual concepts with a strong focus on typography and bilingual design. As a result of their extensive research on Arabic and Iranian type and graphic design Wittner and Thoma edited the book series Arabesque—Graphic Design from the Arab World and Persia, Die Gestalten Verlag (2008 and 2011). In 2012 they organized the project Right-To-Left comprising an exhibition of contemporary graphic design from the Arab world and Iran featuring more than 160 posters, as well as lectures, discussions and workshops. Eps51 are currently working on a new book project on multi-script design focusing on 8 different script-systems. Ben Wittner and Sascha Thoma regularly take part in exhibitions, give lectures and hold workshops.