Ferdinand Ulrich: Ein Leben für die Schrift – Gudrun Zapf-von Hesse

Sie hat sich ihr Leben lang der Buchgestaltung, dem Schriftschreiben, der Schriftgestaltung und vielem mehr gewidmet – Gudrun Zapf-von Hesse. Obwohl sie mehrere Preise erhalten hat, wurde ihrer Arbeit nicht viel Aufmerksamkeit zuteil. Ferdinand Ulrich bringt würdevoll das Lebenswerk der Witwe Hermann Zapfs als Abschluss der TYPO Berlin ans Licht. Ein Vortrag über ein Jahrhundert Schriftgeschichte.

© Sebastian Weiß / Monotype© Gerhard Kassner / Monotype

„Es ist eine wirklich große Ehre, beim Abschlussvortrag der TYPO ein Thema vorzustellen. Ich bin überaus glücklich, dass diese Ehre Gudrun Zapf-von Hesse zu Teil wird.“


Die TYPO Berlin endet dieses Jahr mit dem Thema: „Ein Leben für die Schrift: Gudrun Zapf-von Hesse.“ Ferdinand ist Typograf und Schrifthistoriker. Er hat sein Studium an der UdK Berlin abgeschlossen und parallel an der Carnegie Mellon University in Pittsburgh/PA studiert. Zurzeit arbeitet er mit Erik Spiekermann in dessen Druckerei p98a, lehrt Typografie an der Fachhochschule Potsdam und schreibt gleichzeitig an seiner Doktorarbeit/PhD an der Reading University in England.

Sein Vortrag unterscheidet sich stark von allen anderen Talks dieses Jahr: Der eine Sprecher zeigt seine Arbeit in einer Portfolio-Präsentation, eine Andere unterhält ihr Publikum mit einer Comedy-Show … Persönlich liebe ich die Vorträge, bei denen ich etwas lernen kann. Das ist mein Anliegen, wenn ich eine Konferenz besuche. Der Beitrag von Ferdinand Ulrich war eine solche Gelegenheit!

© Norman Posselt / Monotype

Kaffee und Kuchen

Ferdinand lernte Gudrun Zapf-von Hesse vor gut sieben Jahren kennen, als er zu Besuch im Haus der Familie in Darmstadt war und den berühmten Schriftgestalter Hermann Zapf interviewte. Dies war schon nicht einfach, da das Ehepaar sehr zurückgezogen lebte und es einige Korrespondenz brauchte, um den Kontakt herzustellen. Es muss ein besonderes Ereignis gewesen sein, als Ferdinand dabei die Erlaubnis für das Gießen der Hunt Roman bekam. Die Schrift gibt es an nur fünf Orten auf der Welt – und nun auch in der Werkstatt p98a. Zum Ende des Gesprächs hat Gudrun Zapf-von Hesse ihn gefragt, ob er auch an ihrer Arbeit interessiert sei. So kam es dazu, dass Ferdinand das Werk der Ehefrau des berühmten Schriftgestalters entdeckte: Ein wahrer Schatz an Schriften, Büchern und Schriftentwürfen kamen in ihrer eigenen Werkstatt zum Vorschein und zieren auf Plakaten und Bannern das Haus der Familie bis heute.

Ferdinand sollte noch einige Male nach Darmstadt fahren: Eine Interview-Reihe über Schriftgestalterinnen bei FontShop war (unter anderem) eine weitere Gelegenheit, sie zu besuchen und zu interviewen. Langsam entwickelte sich, nach den Gesprächen bei Kaffee und Kuchen, ein Projekt: Der Vortrag gibt einen Ausschnitt aus dem Buch wieder, welches er derzeit über Gudrun Zapf-von Hesse schreibt und mit vielen Fotografien von ihrem Lebenswerk – dokumentiert von Norman Posselt – versehen möchte.

„Lettering als Begriff hat Frau Zapf-von Hesse nicht besonders gefallen, das heißt Schriftschreiben.“

Lebendige (Schrift-)Geschichte

Ferdinand Ulrich beschreibt Gudrun Zapf-von Hesses Leben von ihrer Geburt bis heute. Dabei erzählt er jede Station ihres Lebens mit reichem Bildmaterial.
Ferdinands Präsentation gleicht einer Zeitreise: Gudrun Zapf wurde am 2. Januar in 1918 in Schwerin geboren und wuchs in Potsdam auf. Als sie geboren wurde, war Wilhelm II. noch – wenn auch nicht mal mehr ein Jahr – der letzte deutsche Kaiser. In der Weimarer Republik erlebte sie ihre Kindheit und im Dritten Reich ihre Jugendjahre.
Sie schrieb bereits mit zehn Jahren in einem Schulaufsatz, dass sie Buchbinderin werden möchte. Gemeinsam mit ihren Eltern beschloss sie 1934, eine Ausbildung in diesem Bereich an der Kunstgewerbeschule Weimar bei Professor Otto Dorfner zu beginnen. Danach folgen im Vortrag noch weitere Stationen ihres Lebens: Ausbildung, Lehre, Arbeitsplätze, Wohnortswechsel, Buchgestaltung, Schriften, Werkstatt, Heirat, Briefe von Hermann Zapf und Adrian Frutiger, Auszeichnungen usw.

© Norman Posselt / Monotype

Die Wichtigkeit ihrer Arbeit liegt insbesondere darin, dass sie ein Zeitzeugnis ist – über die technischen Entwicklungen und über diese Zeitspanne hinaus. Lebendige Informationen und gesammelte Materialien stellen Verknüpfungen her – nicht nur zu ihrem Ehemann Hermann Zapf, sondern zu Adrian Frutiger und andere berühmte Typografen, die heute nicht mehr am Leben sind. Informationen über diese Persönlichkeiten konnten entmystifiziert und ins richtige Licht gestellt werden. Ihre Rolle in der Arbeit ihres Mannes ist kaum von der Hand zu weisen und sollte öffentlich gemacht werden, auch wenn sie selbst ganz bescheiden damit umgeht. Mit einem kurzen Video schließt der Vortrag ab und man bleibt als Zuschauer verzaubert von dem großmütterlichen Charakter und voller Hochachtung für Gudrun Zapf-von Hesse und ihr Lebenswerk zurück. Und freut sich auf das Buch von Ferdinand.

Written by Toshiya Izumo •

© Norman Posselt · www.normanposselt.com

Ferdinand Ulrich

Typographer / Type Researcher (Berlin)

Ferdinand Ulrich is a typographer and a design researcher. At p98a.berlin he explores with Erik Spiekermann how letterpress can be redefined in the twenty-first century. His research and writings on type history have been published in the US, in the UK and in Germany. Ferdinand regularly teaches typography (UdK Berlin, Burg Halle, FH Potsdam) and gives guest lectures (MIT Media Lab, Cooper Union, Carnegie Mellon University, and others). Since 2015 he has been working on a PhD at the University of Reading, researching the transition of type design technologies in the early digital era. The project is supervised by Gerry Leonidas and Sue Walker and is funded by the AHCR in the UK.