Süpergrüp: Ruby Barber, Sarah Illenberger und Antje Wewer – Blumen sprechen

Blumen wachsen, blühen und verwelken … aber sprechen sie auch? Ruby Barber und Sarah Illenberger sind definitiv dieser Meinung. Ein Gespräch über Blumen in Design und Gestaltung, Floristik als Kunst- und Ausdrucksform und die betörende Schönheit der Natur.

Antje Wewer, Sarah Illenberger und Ruby Barber (v. l. n. r.) © Sebastian Weiß / Monotype

Blumen verführen, machen Menschen glücklich, duften, betören, reizen und noch vieles mehr. Es geht um die Anerkennung und Wertschätzung eines einzigartigen Materials und die Rückbesinnung auf eine uns sehr nahe Umgebung: die Natur. Hier denken zwei Kreativköpfe über das stereotype Berufsbild von Floristinnen und Floristen hinaus. Wer genauer hinhört, begreift den Zusammenhang und erkennt die Liebe zu den Blumen als eine ernst zu nehmende und besinnliche Arbeit. Antje Wewer führt das Gespräch.

Alles auf Anfang

Die Blumenmärkte in Sydney haben Ruby Barber verführt. Eine eher triste Hörsaalatmosphäre vertrieb die eigentliche Innendesignstudentin, stattdessen verbrachte sie viel Zeit zwischen einem Blütenmeer und fertigte Sträuße und Bouquets an, erst nur für sich selbst und bald auch für Freunde und Familie. Schnell folgte sie ihrer Passion und ihrem Instinkt, das zu tun, was sie erfüllt. Ja, es klingt wie eine Alltagsromanze – aber es funktionierte!

In der darauffolgenden Zeit ergriff sie die Chance, bei Simone Gooch (Fjura) wertvolle Erfahrungen zu sammeln. Eher frustriert von der konventionelleren Floristenschule in Sydney eröffnete ihre Mentorin ihr eine neue Welt bezüglich der Gestaltung mit Blumen. Nach einigen Kollaborationen und Zusammenarbeiten war es soweit: Sie gründete ihr eigenes Label. Als es um die Namensgebung ging, erinnert sie sich schnell an ein Buch (und den dazugehörigen Film) aus Kindheitstagen: „The Secret Garden“. Autor des Buches ist Frances Hodgson Burnett. Die Geschichte zelebriert die Mystik und die Schönheit der Natur. Es werden ihr auch verjüngende, vitale Eigenschaften zugeschrieben. Der Einfluss von Blumen auf uns Menschen ist mondän, ist Schönheit in Reinkultur.

So begleitet die Geschichte der Hauptfigur Mary Lennox Ruby von Anfang an. Dem Namen „Mary Lennox“ blieb sie treu, nur die Adresse in der einstigen Mary Lennox Street in Sydney gab sie auf.

Ruby Barber zeigt Bilder aus Sydney. Das war die Galerie ihrer Mutter. © Sebastian Weiß / Monotype
Die Reise führte sie von Sydney über New York nach Berlin. Ihr Atelier in der Frankfurter Allee ist sehr stilvoll gestaltet. Vor allem die Werkbank prägt das Interieur und ist für Ruby von besonderer Bedeutung. Jeder noch so kleine Wasserfleck prägt sich auf dem Material ein. Und so erzählt sie stellvertretend für alle Blumenarrangements die Erfolgsgeschichte, die über Ruby Barber erzählt werden kann.

Auch Sarah Illenberger hat einen genauso großen Bezug zur Natur und der ihr inbegriffenen Flora. Der Reichtum an Farben, die unterschiedlichen Formen und Muster, insbesondere der Blüten, dienen nicht nur als Inspirationsquelle. – Beide bestätigen: Stiefmütterchen sind per se keine Blumen für Gräber. Sie fordern einen genauen Blick auf Formen und Farben der Blüten zu werfen: Es sind die schönsten Freaks, die die Natur zum Vorschein bringen kann. Den Ruf als Langweiler haben sie zu Unrecht.

Menschen sind glücklicher, wenn sie sich täglich in der Natur bewegen, sich mit ihr auseinandersetzen und zu ihr in Bezug bringen. So einfach!


Sarah beschreibt, wie grundlegend für sie die Natur in ihrer Ausübung des Berufes als Designerin ist. Als Beispiel dient ihr die Geschichte der eigentlich geplanten Auszeit vom Arbeitsalltag im vergangenen Jahr. So zog es Sarah Illenberger und ihre Familie für acht Wochen nach Portugal (Porto). Eigentlich widerstrebte ihr das Arbeiten in der kurzen Pause. Aber die Pflanzenwelt ihrer neuen Umgebung inspirierte sie derartig, dass sie schon bald wieder zu werkeln begann. Abgesehen von leicht überwindbaren Materialschwierigkeiten schuf sie einzigartige Arbeiten, die das Thema Blumen und Pflanzen aufgreifen. Über das bloße Gestalten hinaus offeriert das Arbeiten mit eben dieser Materie weitaus mehr. Sarah Illenberger begegnet ihr mit angemessener Tiefgründigkeit. Blumen statt Böller war ein Beitrag im „ZEIT Magazin“ kurz vor dem Jahreswechsel 2014/2015. Im New York Times Magazine schuf sie die bildliche Untermalung eines Beitrages anlässlich einer Studie der Stanford University: Menschen sind glücklicher, wenn sie sich täglich in der Natur bewegen, sich mit ihr auseinandersetzen und zu ihr in Bezug bringen. So einfach! Das Spektrum ihrer Arbeiten geht mit der Artenvielfalt der Pflanzenwelt einher.

Viel mehr als nur Dekor

Blumen sind in gewisser Weise Kunstwerke für sich, aber können auch dazu deklariert werden. Die Frage nach inspirierenden Charakteren fällt beiden leicht.
Erwähnenswert ist Taryn Simon, eine US-amerikanische Künstlerin. Ihre aktuelle Ausstellung „Paperwork and the Will of Capital in der Gagosian Galerie in Rom“, zuvor in New York und auf der Biennale 2015, zeigt 36 Fotografien und 12 Skulpturen von Blumenbouquets, die vor sämtlichen Vertragsunterzeichnungen bei großen politischen Entscheidungen zu sehen waren; beispielsweise das florale Bouquet zwischen Hitler und Mussolini beim Münchener Abkommen 1938. „These flowers sat between powerful men as they signed agreements designed to influence the fate of the world.“ (Taryn Simon)

Ähnlich einzigartig sind die Arbeiten des Japaners Makoto. Die Qualität seiner Bouquets und Arrangements spricht für sich. Ruby gibt zu, er sei ein Visionär und (liebevoll gemeint) ein Freak zugleich. Er dippe Pilze in Gold, installiere einen 1,20 Meter mal 1,20 Meter großen Würfel (Petal Box) aus 7.840 Glasflaschen, der, mit Blüten gefüllt, 784 kg wiege … Die Liste seiner Kooperationen, Klienten und Ausstellungen ist sehr lang und umfangreich.

© Sebastian Weiß / Monotype

Es ist auch harte Arbeit

Schönheit hin oder her, die Arbeit rund um ein Bouquet und die Pflege der Fauna hat seinen angemessenen Preis. Wie bei gutem Design ist der Aufwand immens, die dahinterstehende Logistik kein Zuckerschlecken – Ruby bestätigt selbstverständlich ihren bis zu 16 Stunden andauernden Arbeitstag. Sie steht um vier Uhr morgens auf, schließlich öffnet der Blumenmarkt zeitig seine Türen. Der zweite schwierige Punkt, wenn es um die Arbeit mit der Natur geht: Sie ist so unvorhersehbar. Ruby Barber kann nicht langfristig planen, die Natur hat ihren eigenen Kopf und danach muss sie sich zwangsläufig richten. Es ist aber auch genau das, was sie reizt. Blumen haben für sie eine Persönlichkeit. Am liebsten kauft sie deswegen direkt bei den Gärtnereien ein. Keine Frage, sie vermisst die Blumenmärkte Sydneys, unvergleichbar zum Großhandel in der Beusselstraße in Berlin. Doch Ruby bestätigt, dass die Artenvielfalt rund um Berlin alle Sehnsucht wettmacht.

Die neue Pflanze als Must-have von morgen?

Beide bejahen, dass die Trendwelle spürbar ist. Viele Firmen, Läden und Gastronomiebetriebe benutzen ein grüneres Interieur als Aushängeschild für Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit. – Die hippe Parole lautet: zurück zu den Wurzeln! Berber sieht der Sache gelassen entgegen, sie freue sich über jede Pflanze, die ab und an wieder ins Rampenlicht gerückt werde.

Viele Firmen, Läden und Gastronomiebetriebe benutzen ein grüneres Interieur als Aushängeschild für Umweltbewusstsein und Nachhaltigkeit. Die hippe Parole lautet: zurück zu den Wurzeln!


A propos (ver)rücken: niemals eine Geigen-Feige, im Lateinischen ficus lyrata oder im Englischen (wundervoll klingend) fiddle-leaf fig, schnurstracks hin und her bewegen. Sie wird es nicht verzeihen! Diese Pflanze bezeichnet Ruby gerne als fuzzy – ein bisschen kompliziert also. Nicht ganz so flexibel im Wesen, würde sie sämtliche Blätter nach einem Positionswechsel verlieren. Und wenn wir einmal dabei sind, folgt abschließend ein Rat der Expertin zum Thema Blumen als Gastgeschenk: Am besten ganz viele Blumen von einer Sorte der jeweiligen Saison mitbringen. So fügt sich ein Blumenstrauß in jedes Interieur. Der Mai ist besonders gut für die Ernte geeignet. Also, worauf warten? Auf zum Blumenkauf!

Sarah Illenberger

Sarah Illenberger

Sarah Illenberger is a multi-disciplinary artist based in Berlin working at the intersection of art, graphic design, and photography. With a focus on analog craftwork using everyday items, Sarah is renowned for creating vivid, witty images that open up new perspectives on seemingly familiar subjects. Her ability to transform ordinary materials into complex and unexpected visual experiences has been utilized to develop concepts for clients from the fields of culture and business in several countries. In her aim to explore the fertile overlap between art and design, she’s collaborated with numerous photographers and artists, and filled exhibition spaces with self-initiated projects in Paris, Tokyo, and Berlin.  (Text: Mary Scherpe)


Written by Anneliese Rethfeldt •