Barbara Hahn, Christine Zimmermann: Neue Perspektiven durch Design

Ein Aktenordner, prall gefüllt mit Daten zur Führungsgruppe eines Berner Krankenhauses, ist eine wertvolle Fundgrube für Hahn + Zimmermann. Aus dem Berg an Informationen eine erzählenswerte Geschichte herauszuziehen, das ist ihr Anspruch.

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Design &

… Einleitung

Der Vortrag des Design-Duos Hahn + Zimmermann hat den vielmeinenden Titel: Neue Perspektiven durch Design. Systematisch führen die beiden Frauen durch ihr umfangreiches Portfolio, das sie thematisch in gut verdauliche Häppchen aufgeteilt haben: Design & Journalismus, Design & Kunst, Design & Stadtplanung, Design & … Und ebenso deutlich und strukturiert wie der Vortrag, zeigt sich auch ihre gestalterische Handschrift, die sie in den vergangenen zehn Jahren entwickelt haben.

… Forschung

Hahn + Zimmermann ist ein Designbüro aus Bern, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, klassisches Kommunikationsdesign mit visueller Forschung zu verbinden. Mit diesem Ansatz haben sie im Informationsdesign ihre Spielwiese gefunden und sich den Wunsch, den viele Gestalter haben, zur Arbeitsdevise gemacht: Dienstleistungsprojekte mit eigenen, selbstgestellten Forschungsprojekten zu verbinden.

… Methode

Ihre Forschungsmethode liegt in der visuellen Analyse. Betrachtet man die Arbeiten, ist schnell ein eingängiges Muster erkennbar, das sie perfektioniert haben. Meist ist es eine Sammlung ähnlicher Gegenstände, die sauber im Raster angeordnet auf einem Plakat nebeneinander stehen. TYPO-Berlin-2016-05-13-SebastianWeiß-Monotype-_X4A7746Für den Auftrag Women’s Phone der Deutschen Telekom Laboratories, untersuchten sie zum Beispiel den Inhalt von Frauenhandtaschen. Eine der Untersuchungen widmete sich allein der Formgebung der Gegenstände, woraus ein Plakat mit vielen schwarzen Silhouetten entstand. In einer anderen fragten sie nach deren Farbigkeit und bildeten die Farbmittelwerte des Handtaschen-Interieurs ab. Das Ergebnis war ein Plakat mit vielen pastellenen Quadraten. Die Studie verfolgte nicht nur ästhetische Absichten, sondern machte auch deutlich, dass die verbreitete Annahme, ein Produkt für Frauen müsse „pink and tiny“ sein, doch noch mal infrage zu stellen ist. Hahn und Zimmermann stellten bald für sich fest, dass das Prinzip der Reduktion vor allem zu einem Erkenntnisgewinn führte.
Die Wirkung ihrer Arbeiten entfaltet sich durch die umfangreiche Größe der Sammlungen, wie zum Beispiel in der 20-teiligen Plakatreihe „Methoden zur visuellen Analyse am Beispiel des öffentlichen Raums“ – eins ihrer selbst initiierten Forschungsprojekte. Untersucht wurden Dinge wie Mülleimer, Wertgegenstände aus dem Fundbüro oder die Haltungen von Fotografierenden vor Sehenswürdigkeiten. In ihren Plakaten und Druckwerken zeigt sich eine klare, sachliche Ästhetik, vor allem aber ein feines Gespür für Humor.

… Humor

Hahn und Zimmermann wollen weg von drögen Kuchen- und Balkendiagrammen. Als sie vom brand eins Wissen-Magazin den Auftrag bekommen eine Info-Grafik-Serie zum Thema: Managerinnen zu entwickeln, nutzen sie die Chance sich gestalterisch auszulassen. Unter dem Titel „Eine Frage der Vernunft“ vergleichen sie nicht nur die Lebensläufe – Ausbildungswege, Sprachkenntnisse, Auslandsaufenthalte – erfolgreicher Frauen, sondern auch ihre Frisuren. Hinter den Arbeiten steckt immer auch ein Augenzwinkern, das all zu ernsten Themen eine gewisse Leichtigkeit und Zugänglichkeit gibt. Es scheint gerade die strenge Methodik zu sein, die Raum zum Experimentieren lässt und die Phantasie beflügelt. Das Herauskitzeln kleiner Geschichten aus anonymen Datenbergen ist eines ihrer Talente, diese visuell ansprechend umzusetzen ein weiteres.

… Frauen

Auffällig viele ihrer Arbeiten behandeln soziale Fragen oder sind Gender-gefärbt. Die Gegenüberstellung vergebener Doktortitel an Männer und Frauen, das „Women’s Phone“, die Lebensläufe von Managerinnen, Umfragen zur Fortpflanzungsmedizin, … . Es liegt kein ausgesprochener Fokus auf geschlechterpolitischen Themen, aber das Bedürfnis darüber zu sprechen, scheint umso größer. Davon zeugen die ersten zwei Reihen des Auditoriums, das fast ausschließlich weiblich besetzt ist. Vielleicht ist es die ruhige aber bestimmte Art des Designerinnen-Duos, die das weibliche Publikum inspiriert, vielleicht die pastellenen Farbtöne der Präsentation.

… FazitTYPO-Berlin-2016-05-13-SebastianWeiß-Monotype-_X4A7694

Die Sitzreihen der „Stage“ haben sich während der Stunde immer weiter gefüllt. Freie Stühle gibt es schon zu Beginn keine mehr und alle lauschen aufmerksam dem Vortrag – kein Murmeln, keine Langeweile. Ebenso durchdacht wie ihre Arbeiten, ist auch die Präsentation, authentisch und nicht überladen. Hahn und Zimmermann haben ihre Arbeitsweise gefunden: „Design &“ beschreibt nicht nur die Brücke zu anderen Disziplinen, sondern ist das Multitool ihrer Forschung.

… Anmerkung

Im vergangenen Jahr haben Hahn+Zimmermann auch auf der Tÿpo St.Gallen zum Thema „Informationsgrafik: Komplexität vs. Tempo“ gesprochen. Ein ausführlicher Beitrag zur schweizer Ausgabe der TYPO-Konferenz ist in Sonja Knechts Blog-Post nachzulesen. •