Um „Design im weiteren Sinne“ geht es am Freitag auf der Show-Bühne. Kuratiert von Süpergrüp kommen hier Kreative aus Nachbardisziplinen zu Wort. „Strictly no design!“ warnt Moderator Johannes Erler und erklärt die Motivation dahinter: Als Kreative müssen wir über den Schreibtischrand hinausdenken und uns mit der Welt außerhalb von Grafikdesign und Büroalltag auseinandersetzen. Ganz gemäß dem TYPO-Motto „Beyond Design“ lädt Johannes Erler das Publikum ein, sich auf Musik, Literatur, und alles Sinnliche einzulassen.
Ein Salon für afro-inspirierte Kunst, Mode, Kultur
Den Auftakt dieses Programms macht ein Gespräch mit Bisrat Negassi und Frank Wache, die ihr Projekt M.Bassy vorstellen. M.Bassy ist ein Anfang des Jahres in Hamburg gestarteter Raum für afro-inspirierte Kunst, Mode, Kultur aus der ganzen Welt.
„Es geht also um Afrika“, leitet Johannes Erler ein – aber Afrika, was heißt das eigentlich? Mehr als ein riesiger Kontinent, und ganz sicher kein einheitlicher Kulturraum, stellt Bisrat Negassi klar. Die Modesignerin ist in Eritrea geboren, in Deutschland aufgewachsen, hat viele Jahre in Paris gearbeitet und lebt jetzt mit ihrer Familie in Hamburg.
„Wir sind alle längst multinational“
In Hamburg führt sie außerdem ihr eigenes Modelabel Negassi, und berichtet von ihrer Kundschaft: „Afrikanische“ Mode wird erwartet. Bisrat Negassi versteht sich selber jedoch nicht als Produzentin afrikanischer Mode, sondern stellt klar: „Wir sind alle längst multinational.“ Sie vermisst das Bewusstsein für die Vielfalt und Komplexität unserer kreativen Einflüsse. „Dünn und krumm“ sei unser Bild von Afrika, ergänzt Frank Wache, Grafikdesigner, Inhaber der Agentur Juno und ebenfalls Teil von M.Bassy.
Deshalb geht es bei M.Bassy auch nicht einfach darum, afrikanische Kultur nach Deutschland zu bringen. Vielmehr ist M.Bassy ein Forum für afro-inspirierte Kultur. Der Kulturbegriff ist dabei so offen und divers wie die Biografien der Künstler und Künstlerinnen dahinter, das Programm vielfältig: Performances, Fotoausstellungen, immer wieder Musik als Bindeglied. Ein Video gibt einen kurzen Einblick in das bisher gelaufene Programm von M.Bassy und zeigt vor allem: Begegnungen, Konversationen, Kollaborationen.
Bringing more aphrike to the north
Ziel des Projekts ist „bringing more aphrike to the north“ – aphrike, erklärt Frank Wache, kommt aus dem Griechischen und heißt „un-kalt“. Und steht damit metaphorisch für die soziale „Wärme“, für die Begegnungen und Inspirationen, die das Projekt im kühlen Hamburg anfacht. Auch nach Berlin haben M.Bassy musikalische Gäste mitgebracht. Alessandro Sgobbio kommt auf die Bühne und mit ruhigen, warmen Piano-Klängen, punktiert von hektischen Intermezzos und gebrochenen Melodien, versetzt er das Publikum für einen kurzen Moment in den M.Bassy-Salon, und das von Johannes Erler geforderte Einlassen auf das „Sinnliche“ funktioniert.
Gegen Ignoranz und Ahnungslosigkeit
Die Events von M.Bassy finden in einem intimen, wohnzimmerartigen Raum statt. Vorbild ist ein „Salon“, der in einem kleinen Rahmen Austausch und Offenheit ermöglicht. Im Kontext von Pegida und AfD ist ein solches Projekt aber auch immer politisch. Für Bisrat Negassi sind es vor allem Unwissenheit, Ignoranz und Ahnungslosigkeit, die zu Vorurteilen und Extremisierung führen. Den „zu kleinen Blick“ auf Kultur außerhalb der eigenen Erfahrung wollen sie auflösen, sagt Frank Wache. Austausch und Lernen sei wichtiger denn je und Projekte wie M.Bassy umso dringlicher. Motivierend ist dabei für beide die Erfahrung, Teil einer multinationalen Familie zu sein und die Fragen nach der eigenen Identität, die die beiden mittlerweile auch von ihren Kindern hören. „Das Gefühl, das machen zu müssen“, treibt Frank Wache an.
Mehr Toleranz und Miteinander
Wie die Reaktionen bisher waren, will Johannes Erler wissen. „Nur positiv“, berichtet Bisrat Negassi. „Mutig“ finden viele die Arbeit von M.Bassy, doch eigentlich wünscht sich Frank Wacher, dass das verschwindet. Selbstverständlich und natürlich soll sich die Auseinandersetzung mit afro-inspirierter Kultur anfühlen, und nicht wie etwas, das Mut erfordert. Wie genau es weitergeht, wohin sich das Programm entwickelt, ist dabei noch offen und wächst organisch mit jedem Event. „Wie eine Reise“, beschreibt Bisrat Negassi, „wir wissen noch nicht wie die aussieht, aber wo sie hingeht: Zu mehr Toleranz und Miteinander.“
Zum Abschluss des Gesprächs kommt nochmals Alessandro Sgobbio auf die Bühne, diesmal als Begleitung von Sängerin Debra Shaw. In einer kurzen, intensiven Spoken-Word-Performance reflektiert sie über Erfolg, Bescheidenheit und erinnert das Publikum, dass wir alle „part of the journey“ sind, um eindringlich zu schließen mit „we must progress, we must process“.
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m-bassy.org
negassi.com
juno-hamburg.com
www.alessandrosgobbio.it
Written by: Kristina Schneider