Drury Brennan: On Point: An Introduction to Blackletter

„Make imperfect moves! Be slow!“ – Solche Anweisungen bekommt man heutzutage nicht oft zu hören. In einer Zeit, in der Computer fast alles besser und schöner machen können als wir, sogar Handschriften, hat Drury Brennan einige revolutionär anmutende Botschaften für uns.

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Sexy Buchstaben, Funky Serifen und Coole Caps gibt es während des Kalligrafie-Workshops zu bestauen. © Bettina Ausserhofer (Monotype)

Hochkonzentriert und vertieft in ihre Kalligrafie-Experimente sitzen die Workshop-Teilnehmer über ihren Karoblättern und malen mit ihren Kalligrafie-Füllfederhaltern die Frakturschriftbeispiele nach, die Drury Brennan ihnen als Vorlage ausgeteilt hat. Einige haben schon Erfahrung, andere sind interessierte Neulinge, die noch nie einen Kalligrafie-Stift in der Hand gehabt haben. Beide Gattungen versteht Brennan gleichermaßen zu fesseln, obwohl seine Anweisung an die Workshop-Teilnehmer manchmal eher nach Sportunterricht als nach Schreibarbeit klingen: „Ziehen! Ziehen! Tief atmen! Findet euren eigenen Rhythmus, habt Spaß!“.

„Je weniger negative Gedanken du in deine Arbeit legst, desto positiver wird sie.“

Er sagt, er möchte, dass sein Körper die Kalligrafie besser versteht, es handele sich dabei nämlich eher um Körpergedächtnis und Intuition als um Technik. Das glaubt der Zuschauer ihm sofort, mit ganzem Körpereinsatz ahmt er den Verlauf eines Buchstabens nach, stürzt sich auf Details und spricht über die verschiedenen Schriftarten, als wären sie enge Freunde, mit denen er abends um die Häuser zieht.

Proportionen, Negativräume, der richtige Winkel des Schreibwerkzeugs, die Fingerhaltung, gleichmäßiger Druck, das richtige Tempo, ein konstanter Tintenfluss, die Abstände zwischen den Buchstaben: Es gibt viel zu beachten und viel zu lernen. Die Tatsache, dass der Lehrer währenddessen darüber referiert, dass Buchstaben „sexy“, Serifen „funky“ und Caps „cool“ sind, man einen Tanzrythmus in die Schrift bringen und dabei auch noch Spaß haben soll, scheint auf den ersten Blick im Kontrast zum traditionellen Bild von Kalligrafie zu stehen. Bei Drury Brennan gibt es beides, sowohl die technische Seite als auch die sprühende Leidenschaft, die ihn bei dem antreibt, was er da tut.


Jeder Stift hat seine Sprache, keiner gleicht dem anderen. © Bettina Ausserhofer (Monotype)

Dass er sich durch nichts bremsen lässt, wird deutlich, als im Laufe des Vortrags der Projektor anderweitig gebraucht wird, über den man ihm beim permanenten Produzieren von Buchstaben zusehen kann. Schnell organisiert er sich ein Flipchart und macht weiter. Es geht eben nicht um das eine, das richtige Werkzeug, sondern um die innere Haltung.

„Es geht eben nicht um das eine, das richtige Werkzeug, sondern um die innere Haltung.“

Computerarbeit lenkt vom Kern der Schrift ab, sie muss lebendig sein, sagt Brennan, es gibt keinen Anspruch auf Perfektion.
Unermüdlich lässt er neue Buchstaben entstehen, erzählt dabei über seine Haltung zu Kalligrafie und Frakturschrift:
Während wir Frakturschriften und Kalligrafie aus anderen Kontexten kennen und man sie eigentlich nicht direkt mit dem Wort „modern“ assoziieren würde, stellt Drury Brennan einen Zusammenhang zwischen Kalligrafie, Frakturschrift, Graffiti und Street Art her. Plötzlich sieht man die Frakturschrift mit anderen Augen, sie wird bunt und lebendig, tanzt und will spielen. Sie guckt auch gar nicht mehr so ernst, wie wir sie kennen.

Drury Brennan

Drury Brennan

Calligrapher, Artist (Berlin)

Drury Brennan is an American artist who works and lives in Berlin. He makes calligraphy all over the city, writing on anything that will take a stroke: paper, people, windows, walls, workshops. This will be his 5th year participating in TYPO Berlin.

Er legt seinen Workshop-Schützlingen ans Herz, sich alte Bücher zu kaufen und die Schriften daraus zu imitieren, zu üben, Notizbücher mit Studien zu füllen, am Ball zu bleiben. Es geht Brennan nicht darum, ob jemand anderes besser ist, als man selbst. Es geht auch nicht darum, berühmt zu werden, es geht viel mehr darum, dass man während des Schreibens Spaß hatte, auch, wenn die Schrift am Ende vielleicht nicht gut aussieht, als dass alles perfekt und man selbst total fertig und völlig abgekämpft ist.

Klingt, als sollte man Drury Brennans Philosophie auch über Kalligrafie und Frakturschrift hinaus öfter mal im täglichen Leben anwenden.

 

JR