Vitaly Friedman: Wichtige Inhalte zu verstecken ist nicht zielführend

Vitaly Friedman hat den Blick für das Wesentliche und die Leidenschaft sich digitalen Problemen zu stellen. Er hat dafür seine eigene Herangehensweise erarbeitet und überrascht, weil er über vermeintlich etablierte Wege anders denkt – erfolgs- und lösungsorientiert.

Letzter Typo Tag – Vitaly Friedman betritt gutgelaunt die Bühne und äußert bescheiden, dass es heute nicht um ihn ginge sondern um Responsive-Design. Auf die Frage, wo er eigentlich lebe, antwortet er mit einem Achselzucken „Nirgends“ – der Mann der gemeinsam mit Sven Lennartz „Smashing Magazine“ eine der erfolgreichsten Websites Deutschlands gegründet hat, ist gefragt wie nie und ständig auf Optimierungsmission – weltweit. Man hat sofort das Gefühl, er hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht, denn neben Vorträgen ist ein großer Bestandteil seiner Arbeit Fehler aufzuspüren, mögliche Problemquellen ausfindig zu machen und vor Allem wesentliche Inhalte von Unwesentlichen zu trennen – was so viel heißt wie komplexe Inhalte auf Webseiten auf die optimalste Art und Weise unterzubringen. Seine Herangehensweise ist extrem lösungsorientiert, „Zeit zu verlieren könne er sich nicht leisten, weswegen er immer nach Lösungen suche die funktionieren.“

So denkt Herr Friedman © Christine Wenning/ Monotype

So denkt Herr Friedman © Christine Wenning/ Monotype

Oft sei das Problem beim Gestalten von Websites nicht technischer Natur sondern menschlicher, weil Menschen unterschiedliche Auffassungen von Design–Prozessen hätten und davon ausgingen, dass es einen Weg gibt, an dessen Ende ein perfektes Ergebnis steht. „The design process is weired and complicated because it involves people and organizations, which often are weird and complicated.“ – Mark Boulton.

Hamburger oder Menu?

Vitaly geht direkt ins Detail: Das Hamburger Icon z.B. wird seiner Meinung nach völlig überschätzt. Wichtige Informationen werden aus Platzgründen hinter diesem Icon versteckt, was gut und richtig ist, denn durch den Einsatz dieses Icons hat man schon mal ein Platz Problem gelöst. Jedoch schafft man sich damit ein neues Problem: Tests haben ergeben, dass die „Engagement Ratio“ der User abfällt, wenn Inhalte versteckt werden. Für den User ist der Einsatz von zu vielen Icons missverständlich. Und so kommt es, dass das Hamburger Icon schlechter abschneidet als das ausgeschriebene Wort „Menu“. Seine Lösung, diesem negativen Phänomen entgegen zu treten, ist die Fokussierung auf eine optimierte „Suche“. Nachdem diese eingefügt ist beobachtet er, ob es funktioniert und erst im nächsten Schritt rät er, – wenn nötig – dazu wenige Menu Punkte hinzuzufügen. „Wenn man etwas zeigen will, sollte es nie versteckt sein, egal wie man es löst.“

Take away Hamburgers

Genauso rational ist seine Herangehensweise bei der Frage wohin mit dem Icon? Auf der arabische Website von Al Jazira war das Hamburger Icon beispielsweise links oben eingesetzt. Wenn man auf seinem Smartphone versucht den Button zu erreichen, scheitert man oder lässt es beinahe fallen – denn kein Mensch hat so lange Daumen. So wird das nichts. Beim Design für Mobile ist wichtig, die menschliche Anatomie nicht vernachlässigen und gute Beispiel zurate zu ziehen. Facebook macht es richtig. Wichtige Icons werden unten platziert in Daumen-Nähe.

Der User erwartet immer, dass alles geht!

Wir lieben aufgeräumte Websites mit leichter Navigation und viel Weißraum, doch wir wollen auch von Unterwegs die gewohnten Seiten aufrufen, ohne etwas an Information zu missen. Vitaly schafft es, sich in keiner Weise „nerdig“ auszudrücken und erklärt, welche Arbeitsprozesse nötig sind, um grafisch großflächige Inhalte für andere Screengrößen responsiv zu machen – natürlich Endgerät-spezifisch optimiert.

Responsive Logos © Christine Wenning

Responsive Logos © Christine Wenning

Er erfasst die Information und teilt sie wenn nötig in neue Muster ein. Genauso pragmatisch verfährt er mit Logos. Generell haben Logos die Eigenschaft eine visuelle Komprimierung darzustellen – im besten Fall. Bei komplexen und sperrigen Logos ist Vitaly nicht zimperlich auf alles zu verzichten, was durch die Skalierung unleserlich würde. Sein Motto bleibt auch hier, egal wie komplex eine Website ist, man kann Inhalte immer reduzieren, wenn man sich darauf konzentriert was das Wesentliche ist.

Man spürt seinen Enthusiasmus Dinge zu verändern, Lösungen zu suchen, sich komplexen Aufgaben zu stellen und ohne mit der Wimper zu zucken, die Spreu vom Weizen zu trennen und dabei die Praktikabilität nicht aus den Augen zu verlieren. Man könnte meinen dieser Mann macht nichts anderes – tut er aber doch! Wenn er nicht digital unterwegs, ist sammelt er Karten aller Art, Stadtkarten, Landkarten, U-Bahn Pläne usw. Sie faszinieren ihn.


Denn auch auf Karten sind abstrakte, raumbezogene Daten und häufig schwer formulierbare, räumliche Zusammenhänge veranschaulicht. Genau wie im Webdesign geht es darum, dem User oder in diesem Fall den Betrachter die Zusammenhänge auf einen Blick möglichst einfach verständlich zu machen. Man darf ihm gerne seltene Exemplare einscannen und zusenden. Darüber würde er sich wahnsinnig freuen. http://mapsdesign.tumblr.com

“The virtue of maps, they show what can be done with limited space, they foresee that everything can happen therein.” – José Saramago, The Stone Raft

cw