Grüezi aus der Schweiz
Auf der Bühne stehen Indra Kupferschmid, Moderatorin der TYPO Berlin und Professorin für Typografie, und Brigit Bircher. Sie ist Brandmanagerin des stolzen Schweizer Unternehmens Mondaine, das neben der „Official Swiss Railways Clock“ nun eine neue Kollektion entworfen hat: die „Mondaine Helvetica“. Sie und ihre Kollegen sind Uhrmacher durch und durch. Für die Gestaltung der Werbung oder für das Marketing wurden bisher externe Agenturen engagiert. Die neue Kollektion haben sie jedoch mit dem Anspruch entwickelt, ihre Uhren mit etwas „Schweiztypischem“ zu kombinieren.
Die Schweizer Bahnhofsuhr am Handgelenk
Das neue Design solle zeitlos sein, aber auch authentisch und funktional, wiedererkennbar und weltbekannt, aber aus der Schweiz solle es trotzdem kommen – formuliert sie ihre Wünsche. Brigit Bircher und ihr Team führt es bei ihrer Recherche nach „der Schweizer Ikone, die wiederum ihre Schweizer Ikone – die bisher produzierte ‚Official Swiss Railways Clock‘ – würdig ergänzt“, durch die Schweizer Marken-Kultur: Dabei kommen sie am Victorinox-Taschenmesser und Toblerone vorbei, hüpfen leichtfüßig über den Rex-Sparschäler hinweg und kommen beim Matterhorn ins Straucheln. Bis sie bei der Essenz des Schweizerischen ankommen: Helvetia. – Von der allegorischen Frauenfigur, die sinnbildlich die Schweiz verkörpert, ist es nur noch ein Katzensprung zur „Helvetica“. Dabei kommt Brigit Bircher ins Schwärmen. An dieser Stelle ein kurzer Exkurs der Verfasserin:
Diese Begeisterung über eine Schrift erinnert mich an meine erste Begegnung mit Typografie. Damals saß ich in meinem ersten Typokurs und blätterte durch ein grünes, ringgebundenes Büchlein von Indra Kupferschmid – die mich die Grundbegriffe der Typografie lehrte – und ich war überwältigt von der Vielfalt, Tiefe und Präzision, die in Schrift stecken kann. Brigit Bircher und ich haben wohl gemeinsam, dass Indra Kupferschmid unsere Eintrittskarte in die Welt der Typografie war – und im Fall von Mondaine den Prozess der Gestaltung der neuen Kollektion begleitet hat.Indra Kupferschmids Aufgabe war es, ihnen zu helfen, den Charakter der prägnant klaren Schrift in eine Uhr zu übersetzten. Dabei sieht sie selbst ihren größten Einfluss in der Entscheidung für die Neue Haas Grotesk anstatt der Helvetica. Zusammen entwickelten sie eine typografische Toolbox.
Armband, Ziffernblatt und Smartwatch
Die Leidenschaft, mit der Brigit Bircher den weiteren Verlauf des Projekts erzählt, steckt an. Light, Regular, Bold – die Variationgrundlegender Schriftschnitte beschreibt sie kindlich-staunend mit großer Faszination. Die Ausführung eines Laien zur Typografie ist mit dem Fachwissen eines Gestalters sehr erfrischend. Und auch die nächste Pointe sitzt: „Wir hatten plötzlich Zahlen.“ In ihrer typografischen Toolbox liegen mittlerweile: Drei Schriftschnitte, ein Flattersatz und nun auch Zahlen. Womit der Vortrag an seinem inhaltlichen Höhepunkt angekommen ist. Die Light-Serie der Uhren-Edition ziert ein dünnes Armband, die Bold-Serie ein breites; das Verbindungsglied von Band und Uhr ist in Anlehnung an die 1 des jeweiligen Schriftschnitts gestaltet und das Zifferblatt der neuen Mondaine Armbanduhren-Edition zieren nun also Ziffern. Es ist spannend, einen Entwicklungsprozess einmal aus der anderen Perspektive zu erfahren. Brigit Bircher redet sich in rote Wangen und spätestens als sie von dem neuesten Projekt erzählt – der Smartwatch – nimmt ihr jeder im Raum ihre Leidenschaft ab. Mit einem typografischen Augenzwinkern beendet sie ihren Vortrag: Die Auflage der modernen Hightech-Uhr geht mit einer Stückzahl von poetischen 1957 in den Verkauf.
Warum sie nicht die Univers verwendet hätte, fragt verschmitzt ein Zuschauer neben mir. Kompetent und sicher erklärt Brigit Bircher, dass die Univers einfach zu elitär sei; die Helvetica hingegen demokratisch – das würde viel eher zu ihnen passen. Die Bahnhofsuhr gehöre schließlich auch allen.

Indra Kupferschmid
Typographer, Professor for Typography at HBK Saar (Saarbrücken)
Indra Kupferschmid is a freelance typographer and professor at HBKsaar, University of Arts Saarbrücken. Fueled by specimen books, she is occupied with type around the clock in all its incarnations – webfonts, bitmap fonts, other fonts, type history, DIN committees, writing, design work, and any combination of this. She is co-author of Helvetica Forever by Lars Müller Publishers and wrote Buchstaben kommen selten allein, a typographic reference book (Niggli). She consults for the type and design industry and other clients who need help choosing fonts, as well as writing for several different magazines and blogs.

Brigit Bircher
Brand manager (Zürich)
JG