Bertram Schmidt-Friderichs arbeitet seit gut zwanzig Jahren als Verleger. Seine einleitende Frage lautet: Wer von Ihnen ist der Meinung, er hat Charakter? Und wer ist schon einmal an seine Grenzen gestoßen?
Die Typografie ist ein sich ausdehnendes Universum aus unzähligen Einzelteilen. Um seinen Weg durchs Chaos zu finden, ist für jedes gestalterische Arbeiten eine grundlegende Haltung entscheidend: Wir müssen bereit sein, unbequeme und unlukrative Entscheidungen zu treffen, um zufrieden sein zu können – generell und auch gestalterisch. Fehler können bei der Charakterbildung helfen. Was uns prägt, sind unsere Eltern, unser frühes Umfeld, Erfolge und auch Misserfolge. Je älter wir werden, desto weniger passiv stehen wir diesen Einflüssen gegenüber, desto eher können wir mitbestimmen, wohin wir uns entwickeln wollen, desto mehr Verantwortung ist uns überlassen. Der Trick am Schluss – wenn wir unsere eigenen Maxime und unsere eigenen Charaktere gefunden und gefestigt haben – ist es zu wissen, wann wir auch wieder von ihnen abweichen sollten, um uns die Chance zu geben, uns weiterzuentwickeln.
Er erzählt von seiner Kindheit im Unternehmerhaushalt als mittleres Kind mit einem großen Bruder und einer kleinen Schwester. Vom Bruder, der ursprünglich die Druckerei übernehmen sollte – weil er, anders als der Sprecher, keine Angst vor den Druckmaschinen hatte. Und davon, wie dann doch alles anders kam. Wie er das Lesen-Lernen als Befreiung von der Abhängigkeit von den Eltern empfunden hat und wie er fortan alles gelesen hat, was ihm in die Finger kam. Er vergleicht das Lesen mit dem Erkennen von schlechtem Kerning: Wenn man sie erst einmal kennt, kann man die Bedeutung der Wörter nie wieder einfach übersehen, und schlechtes Kerning eben leider auch nicht.
Lob und Vertrauen, auch vorauseilend, setzen Kräfte frei. Er erzählt von einem Volontariat, an dessen erstem Tag man ihm die Autoschlüssel des Firmenwagens überlassen hat und wie stolz ihn das gemacht hat. Die Tatsache, dass das Auto kurz darauf einen unübersehbaren Kratzer abbekommen hat, hinderte die Verantwortlichen letztlich nicht daran, ihm am Ende des Volontariats eine Teilhaberschaft anzubieten, die Schmidt-Friderichs aber ausgeschlagen hat („Lieber der erste Mann in der Provinz, als der zweite in Rom.“).
Dankbarkeit und Ehrgeiz sind wichtig, genauso wie die notwendige Gelassenheit im Umgang mit Fehlern – den eigenen und denen der anderen. Er berichtet von den Schwierigkeiten, die er nach der Schule als Unternehmersohn und angehender Akademiker in der handwerklich geprägten Druckerei der Eltern hatte. Es dauerte ein halbes Jahr, bis man ihn dort an den schweren Maschinen respektiert hat und aufhörte, ihm das Leben schwer zu machen. Geduld und die Fähigkeit, den Menschen zuzuhören und ihnen Respekt entgegenzubringen, haben ihm geholfen.
Ähnliche Hürden sind ihm im Laufe der Jahre immer wieder begegnet und es brauchte Durchhaltevermögen und Engagement, um am Ende doch ans Ziel zu kommen. So gelang seine Zusammenarbeit mit dem ADC nicht mit der ersten Bewerbung, sondern erst einige Zeit später, nach einem Haufen Arbeit und auf Umwegen. Disziplin und Ordnung mögen uns manchmal antiquiert erscheinen, man kommt aber auch nicht um sie herum. Wann kann man ein Projekt noch verbessern und wann muss man sich auch mal damit zufrieden geben? In der Regel ist die Antwort im Hause Schmidt-Friderichs: Da geht noch was.
Ohne Neugier und Mut kommen wir nicht weiter. Die Neugier dient als Motor und der Mut kommt ins Spiel, weil wir gelernt haben, dass wir auch mal ins Straucheln kommen können, wenn wir uns von Altbekanntem entfernen. So entstehen außergewöhnliche Bücher mit vielen Details und besonderen Materialien, die charakteristisch sind für den Verlag Hermann Schmidt Mainz.
Bertram Schmidt-Friderichs sieht optimistisch in die Zukunft. Das Internet mag ein ernstzunehmender Konkurrent für den Buchhandel sein, mit Liebe zum bedruckten Papier und dem im Vortrag besprochenen Handwerkszeug kann man diesem Konkurrenten aber durchaus entschlossen entgegentreten. /jg