Fabian Hemmert: Informations-Aufnahme in der Fastfood-Ära

Als Fabian Hemmert auf die Bühne hüpft, merkt man: Der gehört zu dieser quirligen Sorte Mensch, die immer unruhige Finger hat und den Rubix Cube in 30 Sekunden lösen kann. Das wird erfrischend.

Fabian Hemmert, Foto: ©Sebastian Weiß

Als Gastprofessor für Interface Design an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel und Doktorand des Design Research Lab der UdK Berlin, forscht Fabian Hemmert über die Integration moderner Technologie in unseren Alltag – wie sie uns physisch verändert und psychisch beeinflusst.

Das komplette Publikum nickt, als Fabian erzählt: „Ich saß im Bus und beobachtete diesen jungen Mann, der gefangen war in seinem Smartphone: Immer hin und her wechselnd zwischen unzähligen Informations-Streams, die ihm nichts neues erzählen. Kennt ihr das?“ Kollektive Zustimmung. „Mhm. Irgendwie traurig, oder? Der Typ, das war ich.“

Diese Art und Weise der Informationsaufnahme – schnell, übertrieben oft, unselektiert, belanglos – stellt Fabian Hemmert in den Vergleich mit Fast Food: Sieht lecker aus, ist günstig und verlockend – und ist vor allem belegt mit negativen Gedanken: Ungesund, macht dick, macht nicht satt, macht schlechte Haut. Hastige Informationsaufnahme hat das gleiche Problem: Wir werden nie wirklich zufriedener, nur noch hungriger. Und vor allem: Wir sind uns darüber bewusst! Früher waren es die Menschen, die raus gingen und das Abendessen durch den Wald jagten – heute werden wir gejagt von Nachrichten, Updates und den stressigen Gedanken an unsere vollen E-Mail-Postfächer.

Was Nahrungsaufnahme betrifft, hat sich unsere Esskultur über unzählige Jahre hin gewandelt. Wir können wählen, was wir essen. Wir können lernen, welche Inhalte uns gut tun. Und wir wissen vor allem, wann wir satt sind. Im Grunde sind das alles Punkte, die wir auch auf unseren Informationskonsum übertragen können: Inhalte können durch Algorithmen gefiltert werden, Zutaten können wir über mehr Bewusstsein beim Konsum steuern, und Ausgewogenheit könnten wir zum Beispiel durch Technologien wie Geo-Fencing erreichen. Dass wir unsere Arbeitsmails nicht abends auf dem heimischen Sofa checken sollen, wissen wir doch insgeheim alle (wir wissen ja schließlich auch, dass Zuckerkonsum am Abend dick macht).

Fabian Hemmert ist überzeugt, dass wir viel von unserer Esskultur lernen und auf Informationskultur übertragen können. Die Beziehung, die wir gerade zu unseren Newsstreams führen, ist einfach ein bisschen zu intensiv. Der klingende Begriff der „digitalen Fata Morgana“ bringt es ganz gut auf den Punkt: Wir klicken so oft auf „Aktualisieren“ in der Hoffnung, dass da etwas Neues, Gutes auf uns wartet – aber da ist nichts. Und weil wir uns da niemals sicher sein können, drücken wir eben nochmal.

Dass wir uns das abgewöhnen müssen, wird spätestens bei einem kleinen Experiment klar: Alle Zuhörer werden aufgefordert, das Smartphone hervor zu holen, zu entsperren und an den Nachbarn weiter zu reichen. Alle machen mit, und in wenigen Sekunden legt sich eine unbequeme Stimmung über den Saal. Alle schielen auf das eigene Telefon in der Hand des Sitznachbars – obwohl wir ja wissen, dass nichts schlimmes passieren wird. Fabian grinst: „War nicht so angenehm, was?“

Fabian Hemmert

Fabian Hemmert

Fabian Hemmert is a design researcher, born and raised in Germany. During his studies towards an M.A. degree in Interface Design, he worked for Nintendo of Europe and Marvel Comics. He currently finishes his PhD at the the Design Research Lab at the Berlin University of the Arts. His thesis focuses on new ways of interacting with technology. Fabian is considered one of the leading experts for new ways of mobile telecommunication, having presented his work at multiple visionary events, including TED Global, CeBIT, TEDxBerlin, TEDxSalzburg, Lift Conference, the EuroVision TV Summit, the Chaos Communication Congress, and SXSW. Fabian's TED talk on mobile phones of the future has been viewed more than 500.000 times and translated into 29 languages.
Ne, angenehm war das nicht. Aber der Vortrag war es, und zusammen mit der angeschlossenen Q&A-Sitzung wurden noch drei weitere spannende Denkfässer geöffnet: Wie werden wir damit umgehen, wenn anziehbare Technologie wie Google Glass oder Oculus Rift die digitale Fata Morgana noch weiter ausreizen? Werden wir glücklichere Menschen, wenn wir – das Quantified Self lässt grüßen – all unsere Information messbar machen? Und wieso versuchen wir schon wieder, die Technik etwas kontrollieren zu lassen, wo wir uns doch eigentlich selbst kontrollieren könnten?

Zumindest einige Ideen hierzu wird Fabian Hemmert sicherlich während seiner Forschungen entwickeln. Mehr Infos gibt es hier: www.fabianhemmert.com

Text: Christoph Rauscher
@christowski