“Sustain: Die Fähigkeit eines Musikinstruments den Ton zu halten, ohne die Note zu wiederholen”. Auch ein typografischer oder gestalterischer Ton versucht nach Baur einen gewissen Zauber zu entwickeln. Im französischen durabilité – Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit. Aber wie lang muss ein Ton agieren? Was ist typografische Dauerhaftigkeit? Nach Ruedi Baur die richtige Dauer gegenüber der Zeit der Benutzung und einer angemessenen Haltung dem Objekt entsprechend. Er beklagt die Kurzlebigkeit vieler Projekte und einer Gestaltung, die im totalen Widerspruch dazu stehe. Was nutzt denn die Ästhetik, wenn sie nicht ihrem Nutzen entsprechend gestaltet wird? Er sieht die Zeitlichkeit als größte Baustelle unserer Zukunft. Nachhaltigkeit heißt in nicht nur bremsen und verbieten, sondern am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt zu handeln. Informationsdesign sieht er als eine der wichtigsten Disziplinen in der Gestaltung unserer Umwelt und Gesellschaft an.
In Berlin eröffnete er ein Studio, um auf Basis von drei Jahren Forschungsarbeit einen Atlas der Nachhaltigkeit zu erstellen. Leider hatte die Politik damals kein Interesse an seiner Arbeit. So versuchte er es mit einem Projekt in Vorarlberg. Es wurden Tagesabläufe von Bürgern analysiert und Punkte vergeben. Ein guter Tag hatte 100 Punkte, der Durchschnittsbürger erhielt im Ergebnis 210 bis 320 Punkte. Das Resultat zeigte, dass es nicht an den Handlungen des Einzelnen lag, dass die Punkte unzufriedenstellend ausfielen, sondern die Rahmenbedingungen nicht stimmten. Effektive Baustellen werden seiner Meinung nach gar nicht beleuchtet. Der Bürger sieht sie gar nicht, sonst hätte er die Möglichkeit diese zu instrumentalisieren und Aktionen zu initiieren.
Wir wissen, dass wir einfacher leben müssten, aber der Konsum führt uns dazu anders zu handeln. “Reicht es uns, wenn es für uns reicht?” Wir kennen das Ziel nicht, wissen nur, dass wir es uns anders wünschen. Baur fragt sich, woher wir dann wissen sollen, auf welches Ziel wir uns fokussieren können?
Ruedi Baur
Von den Schafen der Gesellschaft zur individuellen Komplexität – Baur beendet seinen Vortrag mit den Worten: “Ich bin für eine barocke Reduktion!”
Text — Christine Lange