Reichenstein ist Partner von Information Architects und versteht sich als Informationsdesigner und -architekt; um das Gestalten von Schriften hat er bislang aus Respekt einen großen Bogen gemacht. Einen zwischenzeitlichen Versuch, aus einem Logo eine Schrift zu entwickeln, gibt er nach vielen mühevollen Wochen wieder auf. Erst in der Schweiz startet er einen neuen Versuch – und stellt fest: Die akribische Beschäftigung mit dem Schönen, mit dem Formen von Buchstaben und der Liebe zum Detail hat etwas Beruhigendes, Meditatives, ja geradezu Therapeutisches – die Tätigkeit tut ihm schlichtweg gut.
Mit herrlich charmantem Schweizer Akzent und einer guten Portion Selbstironie beschreibt Oliver Reichenstein die nun folgende Gratwanderung zwischen Größenwahn („Noch ein paar Wochen, dann verkauf ich die, das ist ja gar nicht so schwer.“) und dem Gefühl des totalen Versagens, des Nichts-Wissens. Er hält durch, arbeitet tage- und nächtelang an seinem Font, holt sich das unerbittliche Feedback von Fachleuten ein und entwickelt eine fast schon lächerliche Sensibilität. In mühseliger Feinstarbeit ensteht nicht nur seine erste Schrift, er findet auch allmählich zu seiner alten Form zurück.
Die Reduktion auf das Wesentliche ist auch bei seinem sich daran anschließenden Projekt – dem Redesign der iA-Website – vorherrschendes Thema. War schon die alte Website sehr klar und übersichtlich aufgebaut, zeigt sich die neue Seite im nochmals abgespeckten Design, die Navigation kommt ganz ohne Bilder aus, und vielleicht – so mutmaßt Reichenstein – wird das Layout im nächsten Jahr nochmals reduziert. Fest steht: Der Vortrag des überaus sympathischen Schweizers macht Lust, neue Designwege zu beschreiten und zeigt, dass Design uns auch in schlechten Zeiten auf gute Gedanken bringen kann.Oliver Reichenstein
Digital Designer (Zurich)
Autorin: Christiane Weismüller | Graphic Birdwatching