Jan Teunen: Von Schweinen und Stühlen

„Sitzen Sie denn auch alle gut?“ Überaus galant eröffnet Jan Teunen seinen Vortrag. Schon seine ganze Erscheinung – schwarzer Anzug und Fliege – lässt erahnen, dass hier jemand Wert auf Geschmack, auf Stil, legt. Dass guter Geschmack entscheidend Einfluss nimmt auf unsere Gesellschaft und welche Verantwortung für den Gestalter sich daraus ergibt – das ist denn auch das Thema seines Vortrages.

Foto © Gerhard Kassner

Jan Teunen lebt seit über 30 Jahren mit seiner Frau Mieke und einer umfangreichen Kunstsammlung auf Schloss Johannisberg. Er versteht sich als Berater in kulturellen und gestalterischen Fragen und bezeichnet sich als Cultural Capital Producer. Seinen Vortrag untermalt er mit Schwarz-Weiß-Fotografien von Kunstobjekten und Arrangements.

Seiner Ankündigung, dass es philosophisch werden wird, wird er durchaus gerecht. Große Denker wie Hippokrates, Sartre, Buckminster-Fuller dienen ihm als Inspirationsquelle und werden fleißig zitiert. Er spricht davon, dass ein Gleichgewicht wiederhergestellt werden muss, dass wir – hier zitiert er Hippokrates – die Welt nicht von Grund auf erneuern, sondern lediglich in ihre ursprüngliche Form zurückbringen müssen. Wenn der Mensch sich geborgen fühlt, wenn seine Rahmenbedingungen stimmen, dann kann er auch seine Träume und Wünsche realisieren. Es gilt, das Leben der Menschen reicher statt ärmer werden zu lassen – dazu kann der Designer beitragen, indem er gestaltet statt zu verunstalten.


Neben seinem Rednerpult hat er eine Louis-Vuitton-Tasche abgestellt. „Fear is energy“ steht darauf geschrieben, aus der Tasche lugt ein Plastikschweinchen. Den ersten großen Überlegungen folgt ein kleiner Exkurs in die Welt der Schweine: Es geht konkret um die brutale Methode, bei der jungen Ferkeln in der Massentierhaltung das Ringelschwänzchen abgeschnitten wird, um so zu vermeiden, dass die frustrierten Tiere sich gegenseitig aus Langeweile die Schwänze abbeißen. Eine Methode, die sich – so mutmaßt Teunen – nur Menschen ausgedacht haben können, die in schlecht gestalteten Räumen saßen und allein den ökonomischen Profit im Sinn hatten. Er hofft, diese kleine Erzählung von der Angst der Schweine möge den Gestalter inspirieren: Wer nachdenkt, umdenkt, wer anfängt, sein kulturelles Umfeld zu verändern, der kann dazu beitragen, das Gleichgewicht wiederherzustellen.

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Jan Teunen

Born in 1950, in order to serve, to create meanings, and to make a difference. Prof. Teunen deals with all corporate matters that are not part of the balance sheet: values, knowledge, impact. He helps cultivate companies, usually in his capacity as a worker and a tool.
Teunen sieht einen klaren Zusammenhang zwischen eben diesem gestalteten Umfeld und der Art und Weise, wie sich der Mensch darin verhält. „Da gibt es Stühle, bei denen das Hinsetzen zum Niedergang und das Aufstehen zum Aufstand wird.“ – ein klares Signal an die Industrie- und Produktdesigner, ihrem Auftrag nachzukommen, Qualität herzustellen, Kultur zu schaffen und gleichzeitig Natur zu bewahren.

Es braucht den Gestalter, um etwas zu verändern, den Zeitpunkt dafür hält er für günstig: Unternehmen wie auch Konsumenten denken langsam um, Qualität wird mehr und mehr geschätzt, ein neues Bewusstsein entsteht. Das Zitat von Buckminster-Fuller bringt es vielleicht auf den Punkt: ”Reshape environment, don‘t try to reshape man.“

Autorin: Christiane Weismüller, Graphic Birdwatching