Nina Stössinger: Drawing Type is Pretty Hard!

Nina Stössinger spricht über die FF Ernestine, ihre erste Schrift, erschienen Ende 2011 – und ihr erstes Schriftgestaltungsprojekt überhaupt. Sie nennt es ihr zeitraubendstes und aufregendstes Projekt jemals und möchte über den Entstehungsprozess und ihre Lernerfahrungen dabei sprechen: „The Importance of Being Ernestine“.

 

Nina Stössinger @ TYPO Berlin 2012

Foto: © Ben Mitchell

Ihre Ernestine sollte schlicht und klar und „schweizerisch“ aussehen. Bis zu einem solchen Ergebnis war es ein weiter Weg, vergleichbar einer Entdeckungsreise durch undurchdringliches Dickicht. Der erste Schritt: Sie findet Fontographer – und damit schnell zu der grundlegenden Erkenntnis: „drawing type is pretty hard“. Die gezeichnete Umsetzung dieser ersten Erkenntnis zeigt sie mutigerweise riesengroß in der TYPO Show, dicht gefolgt von ihrem allerersten Et-Zeichen mit wirr-komplexer Hintergrundzeichnung – zur Freude der Zuschauer.

Stössingers Schreibtisch – Nachtschichten für die FF ErnestineDer Schreibtisch von Nina Stössinger bei der Gestaltung der FF Ernestine in zahlreichen Nachtschichten. Die Geschichte der Ernestine im FontShop-Blog.

Eine Grundsatzfrage: Warum Serifen? Schon die kleine Nina ist fasziniert von der Schreibmaschine ihrer Mutter und den hübschen, freundlichen Dingern, die sie dort findet. Schreibmaschinen-Typo bleibt ihr gestalterischer Ausgangspunkt.

Ausgehend außerdem von einem idealen Gestaltungsprozess – Drawing, Spacing, Kerning und dann noch „maybe some technical stuff“ – stellt Nina Stössinger schnell fest: Den gibt es nicht. Nichts läuft ideal beim Schrift gestalten. Es gibt unzählige Testrunden, Rückschläge und ein stetiges Ausprobieren, bei unaufhaltsam steigender Frustrationskurve. Die Gestaltungsgeschichte der Ernestine geht von 2008 bis 2011.

„The Importance of Extending Ernestine” erfährt Nina Stössinger in einem wunderschönen „Alphabet Park“ in Armenien, voll mit riesigen Buchstabenskulpturen, den sie im Sommerurlaub 2009 entdeckt. Die Formen der armenischen Schrift faszinieren sie außerdem. Dieser Urlaub scheint auf längere Sicht ihre einzige Form sozialen Lebens gewesen zu sein, denn die Feinheiten ihrer Schrift, die Gestaltung der Zahlen und unzählige Detailentscheidungen fordern ihr ganze Zeit. Sie lässt sich darauf ein, „to follow the talent to the dark place where it leads“, und stellt fest, dass es neben „courage“ um „curiousity“ und vor allem um „commitment“ geht.

Die Belohnung all dieser Mühe ist für Nina Stössinger „the font that became my best friend“ – eine Bestätigung der Erkenntnis, dass alles, was wert ist gemacht zu werden, es wert ist, gut gemacht zu werden. (Warum nur geraten zumindest schnelle deutsche Übersetzungen englischer Zitate oft so sperrig?! – Anmerkung der Autorin, in Eile).

Nina Stössinger ©Marina Chaccur

Nina Stössinger

Type Designer, Typographer (The Hague)

Nina Stössinger (b. 1978), type-obsessed designer & overall curious person. Originally from Basel (Switzerland), Nina studied multi-media design in Halle (Germany) and type design in Zurich and The Hague. She has stayed on in the Netherlands, where she is now running Typologic, her studio for type design, typography, and code. Photo: Marina Chaccur

Nina Stössinger fasst zusammen und verweist noch einmal auf den Dschungel, dem man sich in Gestaltungsprozessen oft gegenüber sieht. Sie macht Mut und betont: Es lohnt sich – „enjoy“!

Text: Sonja Knecht

2 Comments

  1. Christa Brenner-Nees|May 18, 2012

    Liebe Sonja Knecht,
    vielen Dank für den wundervollen Text über Nina Stössinger und ihre Ernestine. Es gibt vieles, das, wenn es auch außerhalb der eigenen Beruforientierung liegt, hochinteressant ist und an dem man gern teilhaben möchte. Über diesen Txet aber konnte ich einen Eindruck gewinnen und dafür vielen Dank! Bei dem folgenden Satz hat es bei mir am meisten “gefunkt”, Resonanz gegeben: „to follow the talent to the dark place where it leads“, Wunderbar!
    Herzlichen Dank!
    Christa Brenner-Nees

  2. typoblogger|May 20, 2012

    Liebe Christa Brenner-Nees,
    ganz herzlichen Dank für Ihr schönes Kompliment. Ich freue mich riesig!
    Falls Sie Lust haben, mehr von meinen Kolleginnen, Kollegen und mir zu lesen: Sie finden uns hier und im TYPO Blog 2011 sowie im Blog von Edenspiekermann (www. edenspiekermann.de), mit diversen Themen rund um Typografie und Gestaltung, aber auch Arbeitsweisen und persönlicher Haltung. – Übrigens fand auch ich den von Ihnen abschließend zitierten Satz besonders besonders!
    Herzlich, Sonja Knecht.