Mittendrin und total dazwischen

Tina Frank arbeitet im Kollektiv, hat mitten in Wien Hühner und einen Ziegenbock um sich, agiert zwischen statisch und bewegt, real und digital, zwischen Grafikdesign und Musik und Kunst. Waren da irgendwo Grenzen?

Die Professorin für Grafikdesign an der Kunstuniversität Linz nennt ihren Vortrag „Go Between“ und sagt gleich dazu, dass man das bitte nicht übersetzen könne. Jedenfalls nicht ohne den schönen Querverweis auf die Go-Betweens zu verlieren, eine legendäre „Indie-Band“ aus den 1980er Jahren. Das wäre doppelt schade: Die Go-Betweens waren selbst Quer- und Dazwischengänger und nicht ganz klar einer einzigen Musikrichtung zuzuordnen (bzw. begründeten sie eine eigene). Zum anderen kennzeichnet und öffnet Frau Frank mit diesem Titel, dieser Konnotation gleich ihr Arbeitsfeld in Richtung Musik. Das entgeht uns, wenn wir einfach per Übersetzung „Dazwischen gehen!“

Akzente setzt die Künstlerin in den Feldern Print und Corporate Design; sie entwickelt Orientierungssysteme und beschäftigt sich intensiv mit der experimentellen Visualisierung von Musik. An Musik- und Multimedia-Festivals weltweit nimmt sie teil; ihr Experimentalfilm „Chronomops“ wurde bei der Diagonale 2006 als bester ausgezeichnet.

Tina Franks Interesse für die Verbindung von Bild und Ton, statisch und bewegt und überhaupt: digital und real brachte sie schon früh zur elektronischen Musik. Sie arbeitet viel für – oder vielmehr: mit Mego (nach Konkurs als Editions Mego neu gestartet), einem Label für experimentelle Musik. Gegründet wurde Mego 1994 in Wien von Ramon Bauer, Peter Rehberg und Andreas Pieper, Techno- und Rave-Fans der ersten Stunde.

Im Museum in Linz installierte Tina Frank das »Hotel Lentos« (Foto: Gerhard Kassner)

Auch heute arbeitet Frank nicht allein, sondern in einem Atelier mitten in Wien mit großem begrüntem Innenhof, mit Hühnern und einem (noch etwas einsamen) kleinen Ziegenbock und lauter netten Menschen, die der Vermieter sorgfältig auswählt, damit die Atmosphäre im Haus (und Garten) stimmt. In dieser „grünen Oase des Zusammenlebens“ sei sie „mittendrin und total dazwischen“. Überhaupt müsse man „viel Zeit miteinander verbringen“, denn „das einsame Genie gibt es nicht“, da sei immer jemand mindestens im Hintergrund.

Tina Frank verweist auf die Trennung von Audio, Video und Grafkdesign und die in jedem dieser Bereiche stattfindende zunehmende Spezialisierung. Sie interessiert sich für den Querschnitt dieser Disziplinen, die Verbindung.

Ihre Arbeiten beweisen aufs Schönste, wie das geht:

  • Platten- und CD-Cover von Mego, beispielsweise die CD-Verpackung von edition mego 016, wo sie den „elektronifizierten Gitarren“, den „neu geschichteten“ Klängen entsprechend reduzierte, flächig verfremdete monochrome Fotos beigibt.
  • Daraus wiederum erstellt sie ein Musik-Video, in das sie den Klang eines Super-8-Projektors einbaut (die Kinder der 70er, 80er werden sich an das sanfte Rattern und an die Aufregung, die ein Familienabend mit Leinwand und Projektor versprach, erinnern). Auf der Bildebene arbeitet Frank hier mit Sequenzen aus den Super-8-Filmen ihrer Kindheit. Seufz.
  • Für das Album „triste“ von Oren Ambarchi entwickelt sie die gewünschten selbstleuchtenden „deep underwater sea creatures“ aus digital erzeugten Linienmustern, die sie lamellenartig verknüpft. Wie bei der Musik geht es um Schichtung, Verfremdung, Überlagerung.
  • Die Kinderzeichen-Software „KidPix“ nutzt Tina Frank, um bei elektronischen Konzerten, wo die Protagonisten auftrittstechnisch wenig zu bieten haben, das Bühnenbild interaktiv beizusteuern.
  • Für die Ausstellung „Videorama“ der Kunsthalle Wien entwickelt sie 2009 ein „Keysujet“, das abgelehnt und dann begeistert von der Band „Heaven And“ adaptiert wird. Der frei im Raum stehende Schriftzug, dramatisch ausgeleuchtet, markiert eine Grenze und verweist auf das, was dahinter weitergeht. Auf der sprachlichen Ebenen kommt zusätzliche Unterstützung durch das Zitat auf dem Cover: „bye and bye I’m going to the king” von Blind Willie Johnson.
  • Im Museum in Linz installiert Tina Frank das „Hotel Lentos“. Kulissenelemente wurden auf Innenräume projiziert, Konzerte für die Abende eingeplant. Es sollte sich eine Stimmung vermitteln zwischen „Shining“ (Horrorfilm von Stanley Kubrick nach Stephen Kings gleichnamigem Roman, 1980) und „Im weißen Rössl am Wolfgangsee“ (Singspiel in drei Akten und Schlager von Peter Alexander, 1960). Trotzdem waren die Betten innerhalb kurzer Zeit ausgebucht.

Wenn Bild und Musik harmonieren, entsteht gute Laune (Foto: Gerhard Kassner)

  • In der Verknüpfung zwischen Design und Bild/Fotografie stellt Tina Frank ihren Studierenden die Frage, wie Corporate Design aussieht, wenn es nichts verkaufen soll. Die Arbeit des Studenten Michael Ehrenbrandtner „Nothing but the truth“ basiert auf Botschaften wie „Nothing will save your life“ oder „Nothing will make you pretty“ oder „Nothing but love“. Das Logo ist ein durchgestrichenes „O“.
  • Für die Arbeit „625 Zeilen in 10 Sekunden“ legt Studentin Sarah Feilmayr den Fernseher auf den Scanner. Durch die Bewegung des Körpers auf dem Bild im Fernseher und der Bewegung der Scannerlampe entsteht eine zeitliche Verzögerung mit einer bildlichen Verzerrung, Verschleifung. Sarahs Sportbilder bekommen dadurch eine ganz eigene Dynamik: Wir sehen einen Diskuswerfer, zur Schraube verschwurbelt, und können die schnelle Drehung geradezu spüren. Nicht ein Moment, sondern die ganze Bewegung wurde eingefangen.
  • Nun sehen wir das preisgekrönte, extrem bunte, kraftvolle Video „chronomops“ von 2006. Es geht um das Radio als Kernthema, wir meinen Jingles und Hymnen zu erkennen.
  • Für „Vergence“, entstanden 2006–2010 in Zusammenarbeit mit dem Musiker und Künstler Florian Hecker, werden die Soundsynthesen pur digitaler Musik in Farbflächen, grafische Muster und bunte Bewegtbilder umgesetzt, die an Frank Stella erinnern.

Der „Preview in PAL with stereo sound“ dauert sechs Minuten und Tina Frank bittet uns, das lohnende Ende abzuwarten – was ich allein ihr zuliebe gern tun würde, doch leider nicht schaffe, da mich (und andere) die erste halbe Minute klirrendes Crescendo aus dem Saal treibt.

Bei allem Verständnis für die Liebe zu lauter Musik und für persönliche Präferenzen in der Art der Aussteuerung/Einspielung: Das war zu viel, nicht nur mir, und trotz Ohren zuhalten wirklich schmerzhaft.

Unabhängig davon bleibt Tina Frank als medial vielfältige, supersympathische Vortragende in Erinnerung, die bekannte Muster neu erprobt und zu vielschichtigen, im Zusammenhang mit Elektronik und (auf den ersten Blick) grafischer Kühle überraschend berührenden Resultaten findet. Manchmal in den Zwischenräumen, manchmal ganz woanders.

www.tinafrank.net

PS

Mego Records, original und neu aufgelegt als Editions Mego:

http://de.wikipedia.org/wiki/Mego

http://editionsmego.com

Nicht fehlen dürfen natürlich die Wegbereiter:

www.go-betweens.net

All time favourite extra Lieblingslied ever von den Go-Betweens bleibt – Achtung, Spezialtipp, Trommelwirbel, Tusch – hier kommt Karen, yeah yeah Karen!

http://www.youtube.com/watch?v=lPErA7NZISM

 

Tina Frank

Tina Frank

Tina Frank is a designer, visual artist and Professor for Graphic Design at the University for Art and Industrial Design in Linz. The main focuses of her work are print, corporate design, orientation systems and the experimental visualisation of music. Tina Frank has appeared at numerous music and multimedia festivals and her videos have been played worldwide. Chronomops was awarded the prize as best experimental film at the Diagonale in 2006.