Christoph Niemann: Jeder ist seines eigenen Glückes a. Schmied, b. Klempner, c. Grafiker

Das Ende der TYPO 2011 war für viele wohl auch der Höhepunkt in einem. Christoph Niemann, der „Woody Allen der Grafik“ (Page), hielt einen äußerst unterhaltsamen, humorvollen und selbstironischen Vortrag über seine Arbeiten.


Foto © Gerhard Kassner
Der in Waiblingen geborene Illustrator und Designer stellte sich nach seinem Studium in Stuttgart die Frage, wohin es denn nun mit ihm gehen solle. Die beiden für Designer typischen Ziele, Berlin und Hamburg, schienen ihm nicht herausfordernd genug, so entschied er sich kurzerhand dafür, lieber nach New York zu gehen. „Wann, wenn nicht direkt nach dem Studium, wagt man so einen Sprung!“, sagte Niemann und ermutigte somit die im Publikum sitzenden Studierenden dazu, den Sprung in die weite Welt zu wagen, wenn es soweit ist.

Seinen Arbeitstag beschreibt der Illustrator als einen, der ähnlich zu anderen Berufen abläuft. Als Familienvater steht er morgens auch früh auf, bereitet Frühstück, macht die Kinder für den Tag fertig, bevor er sich dann an seinen Schreibtisch setzt und zu arbeiten beginnt.

Seine Arbeitsweise illustriert er mit einer Vielzahl Bildern: Wir sehen eine Skala – den „Abstract-o-meter“, auf dem man ablesen kann, wie das Publikum tickt. Zu realistische oder zu abstrakte Darstellungen bezeichnet er als das größte zu überwindende Problem bei der Arbeit. Das Publikum muss das Thema sofort verstehen, d.h. man muss das Wissen des Betrachters im Gestaltungsprozess beachten. Dabei spielt die Aktualität des Themas eine wichtige Rolle: Etwas, von dem man heute voraussetzt, dass es vom Publikum verstanden wird, wäre vor 20 Jahren noch nicht verstanden worden und wird in einigen Jahren möglicherweise schon nicht mehr funktionieren. Als außerordentlich nützlich preist er das Diskutieren mit den Auftraggebern. Dies gibt ein besseres Gefühl für das, was man tut.


Foto © Gerhard Kassner

Wie geschickt er über seine Illustrationen mit seinem Publikum kommunizieren kann, zeigt er an einigen Arbeiten, die für das Cover von The New Yorker entstanden sind. Hierbei bezeichnet er sich zu Recht auch als Journalist, der sensibel auf das Tagesgeschehen reagieren muss. So sei ihm, als er die Anfrage bekam, das Cover mit dem Thema von Fukushima zu gestalten, sofort klar gewesen, dass man nichts mit der japanischen Flagge machen könne, denn diese Assoziation war schon verbraucht. Ebenso könne man nicht das wunderschöne Motiv eines der berühmtesten japanischen Werke, das Gemälde des Künstlers Hokusai, „Die große Welle vor Kanagawa“ verwenden. Niemann entschied sich dafür, die Stille zu zeigen, mit der sich die Strahlung für den Menschen unsichtbar und -riechbar in der Umgebung ausbreitet, das Ergebnis ist beeindruckend und schaurig-schön zugleich.

Christoph Niemann

Christoph Niemann

Illustrator (Berlin)

Christoph Niemann is an illustrator and author. He creates covers for the New Yorker, a visual column for the New York Times Magazine and once drew a Marathon while actually running it.
Auch seine Kinderbücher stellte der Illustrator vor, wobei er betonte, dass er genau dies, Kinderbücher zu illustrieren niemals machen wollte. Das sei für einen Illustrator wie der Berufswunsch eines sechsjährigen Mädchens, Ärztin für Ponys zu werden. Aber was man nicht alles macht und tut, um ein Kleinkind zum Schlafen zu bewegen! Man erzählt Geschichten, mit den wenigen Worten, die das Kind schon kennt. Und genau aus diesen wenigen Worten entwickelte Niemann, sein erstes, äußerst charmantes Kinderbuch, das Buch von der Wolke und dem Polizisten.

Man kann gespannt sein auf die nächsten Arbeiten, die Christoph Niemann aus Venedig verspricht, wo er sich als „Visual Reporter“ ins Eröffnungsgetummel der Biennale stürzen wird. Verfolgen kann man diese in seinem Blog.