April Greiman: topo/typo

Versetzen wir uns in das Jahr 1984, der erste Apple Macintosh kommt auf den Markt. Die Designer stehen der neuen Technologie noch skeptisch gegenüber. Eine der Pionierinnen der digitalen Revolution, die die gestalterischen Möglichkeiten des Macs voll ausnutzt, ist April Greiman. Sie gilt fortan als eine der einflussreichsten Kommunikationsdesignerinnen auf dem Gebiet der digitalen Medien. Durch ihren Stil wird sie zur Ikone der „California New Wave“ Typografie. Ihre Projekte umfassen heute alle Disziplinen der Gestaltung, von Kommunikationsdesign, Materialien über Architektur bis hin zu Video.


(Foto © Gerhard Kassner)

Ihre oftmals collagenartigen Grafiken sind geprägt durch den Einfluss der amerikanischen Postmoderne und durch die Basler Schule, speziell durch Wolfgang Weingart, der sich besonders mit einem expterimentellen Umgang mit Raster, Bild und Typografie beschäftigte. Vielen von April Greimans Grafiken ist eine über dem Bild schwebend wirkende Typografie gemein.

 

Your turn, my turn – Plakat von 1984

Retrospektiv zeigt Greiman aus ihrem ganz persönlichen Blickwinkel Arbeiten ihres gesamten Werkes. Ihr Vortrag ist oft mit einer feinen Selbstironie gefärbt und sie beginnt ihn damit, dass schon ihre Geburt nicht normal vonstatten ging und sie stattdessen aus einer „Beckenbodenendlage“ geboren wurde. Ausserdem erfahren wir, dass sie es hasst, zu frieren.

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April Greiman hat ihren Vortrag für die „topo / typo“ genannt. Topografie ist wortwörtlich übersetzt die Ortsbeschreibung, die sich  mit der Darstellung und Beschreibung der Erdoberfläche und der mit ihr verbundenenen natürlichen und künstlichen Objekte befasst. Sie geht zuerst auf die Topografie ihres Wohnortes Los Angeles ein, einer – so Greiman – asphaltierten Wüste.

Greimans Arbeiten greifen in den Raum und wirken in diesem. Ihr Designstudio heisst bezeichnenderweise made in space. Sie wechselt zwischen Design und freien  künstlerischen Arbeiten.

Key Visual der Website von made in space

Key Visual der Website von made in space

(Bild: © April Greiman)

Zu Beginn ihrer Karriere musste sie sich anhören, dass sie nicht Design, sondern Kunst mache – besonders von den männlichen Kollegen an der Ostküste in New York. April Greiman konterte, als sie 1986 die Möglichkeit erhielt, eine Ausgabe des Design Quaterly zu gestalten, in dem sie ihre Arbeiten präsentierte. Eine Ehre, die nur wegweisenden Designern zuteil wird. Greiman gestaltete eine Ausgabe, deren Seiten sich in ein lebensgroßes Poster entfalten. Das Motiv ist ein Selbstportrait – ein digitalisierter, collagenhafter Akt. Als Antwort auf das Motto der Ausgabe ”Does it make sense?“ gab sie ein Zitat von Wittgenstein wider: ”If you give it a sense, it makes sense“ Für April Greiman ist dies einer wichtigsten Sätze Wittgensteins.

Greimans Arbeiten, ob Design oder mit künstlerischer Herangehensweise, sind meist große, umfassende Projekte. Sie arbeitet unter anderem für die Architekten Frank O. Gehry, RoTo Architects sowie für das MAK Center for Arts and Architecture in Los Angeles, für AOL/Time Warner, Microsoft oder US Postal Service.

April Greiman

April Greiman

April Greiman is a designer, thinker and artist whose projects address all areas and scales of design from communication to textiles and from architecture to new media. Greiman, and her studio, Made in Space, actively challenge interdisciplinary boundaries, investigating parallels and intersections between art and design in all aspects of the work. Since the 1980s, her work has evolved from communication design to projects of increasing scale and complexity.
Oft erarbeitet sie die Farb- und Materialgestaltung für Projekte von RoTo Architects (das von ihrem Eheman Michael Rotondi geleitet wird). So zum Beispiel für das Observatorium im Hafen Nagasakis. Als zentrales Gebäude ist es in der ganzen Stadt zu sehen und bald nach der Eröffnung wurde Michael Rotondi auch schon auf eine Pressekonferenz eingeladen, in der die spezielle Farbgebung der Kugel – Orange – diskutiert werden sollte.
Die erste Argumentation, die April Greiman ihrem Mann dafür bot, als er sie auf dem Weg nach Japan anrief, erntete dort allerdings nur Schweigen: „Orange weil es an eine Orange erinnert“. Zum Glück hatte sie noch eine zweite Erklärung für Michael Rotondi parat: „Orange weil es an die aufgehende Sonne erinnert“. Erleichtertes Aufatmen und zustimmendes Nicken bei der Pressekonferenz.

Nagasaki Observatory

Nagasaki Observatory

(Bild: © RoTo Architects)

 

Mit ihrem Ehemann zusammen ist April Greiman ausserdem auch Besitzer des Hotels und Spas Miracle Manor über einer Thermalquelle in der Wüste unweit von Los Angeles.

Ein aktuelles Projekt im öffentlichen Raum ist die Wandgestaltung am Wilshire-Vermont LA subway terminal “hand holding a bowl of rice”. Mitten in Koreatown ist dies das wahrscheinlich größte Ölbild der Welt. Die Auftraggeber zweifelten kurz vor der Produktion an Greimans Vorhaben, die Bilder mittels Digitaldruck auf die Mauern zu bringen. ”This was kind of a horror, as you can imagine.“ Es mussten zwei Plakatmaler beauftragt werden. Vielleicht war es vom Schicksal als Verbindung von alt und neu so gewollt, dass das digitale Motiv, ein Video-still einer in Händen gehaltenen Reisschüssel, das in Koreatown aufgenommen wurde, in Öltechnik umgesetzt wurde?

Großes Wandbild “hand holding a bowl of rice” am Wilshire-Vermont LA subway terminal

Großes Wandbild “hand holding a bowl of rice” am Wilshire-Vermont LA subway terminal

(Bilder: © April Greiman)

 

Komplett auf April Greimans Werk einzugehen, würde hier den Rahmen sprengen. Ihr Vortrag ist der letzte am Freitag Abend und  nicht nur ich bin begeistert über die ruhige, unaufgeregte Weise, in der April Greiman spricht und die doch jeden fesselt. Die Leichtigkeit, die ihren Arbeiten oft innewohnt, scheint April Greiman verinnerlicht zu haben.

 

April Greiman im Garten beim Sprecherzimmer vor ihrem Auftritt

April Greiman im Garten beim Sprecherzimmer vor ihrem Auftritt

(Foto: © Alexander Blumhof)