Christoph Keese: Tablets als Medium

Christoph Keese ist seit über 20 Jahren Journalist und hat bei großen Zeitungen wie der Berliner Zeitung, der Financial Times Deutschland, der Welt am Sonntag oder bei Welt online gearbeitet. Aktuell ist er Geschäftsführer bei Public Affairs der Axel Springer AG. Passend zu seinem Background ging der Keynote-Vortrag darüber, welche redaktionellen Konzepte bei tablets Erfolg haben und wie man mit ihnen Geld verdienen kann.

 

Foto: Gerhard Kassner

„Tablets erfinden den Journalismus in gewisser Weise neu“, sagte er gleich zu Beginn seiner Präsentation und am Ende sollten die Zuschauer auch wissen warum. Er hat ein Bilderrätsel gezeigt und die Frage gestellt, wo diese Fotos wohl erschienen sind. „In der New York Times“ lautete die Antwort. Damit wollte Keese zeigen, dass das ipad auch eine Renaissance der Fotografie bedeutet, da es kreative Lösungen entwickle. „Die Kraft der Worte. Die Macht der Bilder“, fügte er hinzu. Springer hat vergangenes Jahr neun Thesen abgeleitet, wie das digitale Leben wohl 2020 aussehen wird. So besagt eine These beispielsweise, dass jeder Deutsche mindestens ein mobiles Endgerät besitzen wird. Zeitungen und Zeitschriften blieben bestehen und existierten weiter. Und, interessant ist auch, dass sich keine reine Gratiskultur durchsetzen werde. Der Journalismus selbst richte sich zudem nach Situationen und weniger nach den Medien aus. Das heißt konkret, dass, wenn man zum Beispiel in der Straßenbahn sitzt oder im Aufzug fährt, das Smartphone zückt und sich seine Infos, die man in diesem Moment haben möchte, holt. „Apps werden immer in einem Moment der Ruhe genutzt“, sagt Christoph Keese.

Bevor man eine App programmiert muss man wissen, wie das Publikum navigiert. So wie man vor Gründung einer Zeitung wissen sollte, ob man eine Zeitung mit ein, zwei, drei oder vier Bücher herausbringen möchte. Christoph Keese hat im Anschluss an die Einleitung einige Apps vorgestellt. Natürlich auch die der BILD. „Mit dem Anklicken einer Geschichte kommt man tiefer in die Geschichte rein. Pro Seite werden fünf Themen angerissen. Die Schrift ist die Typo von BILD, keine HTML-Schrift“, erklärt Keese. Bei der App der Zeitung „Die Welt“ ist die Optik eine andere. Sie ist an das Layout der gedruckten Zeitung angelehnt, was viele Zeitungen so machen. Allgemein ist zu beachten, dass wenn man bei Apps eine feste Schriftgröße festlegt, die App unheimlich groß wird. Am Beispiel der Wall Street Journal-App erläuterte er, dass viele Apps nicht ständige aktualisiert werden würden, sondern dass es lediglich eine Ausgabe pro Tag gäbe. Grund hierfür sei die Verweildauer. Diese liegt bei Zeitungen bei etwa 20 bis 25 Minuten, bei Websites bei zwei bis fünf Minuten. Auch eigene Zeitungen für das ipad gäbe es schon: So hat die Welt mit iconist, einer Stilbeilage der Welt am Sonntag, eine eigene ipad-Zeitung herausgebracht. Noch nicht abzuschätzen sei auch, ob sich Trends wie Flipboard, die einen guten Blättereffekt haben und Nachrichten aus Facebook oder Twitter „aufsaugen”, durchsetzen. Wenn sie dies tun sollten, bräuchte man keine individuell programmierten Apps.

Die Medien haben heute bei offenen Seiten das Problem, dass sie damit relativ wenig Geld verdienen. „Sicher ist, dass kostenlose und kostenpflichtige Inhalte weiterhin nebeneinander bestehen und sich nicht verdrängen werden“, stellt Keese klar. Und dass man mit kostenpflichtigen Apps – Springer hat nur kostenpflichtige Apps – Geld verdienen kann, belegen die Zahlen von 2010. In diesem Jahr hat die BILD-App zum Beispiel allein 405.400 Verkäufe erzielt. Und der App-Markt ist ein Wachstumsmarkt: Aktuell werden im Appstore rund 350.000 Apps angeboten und die Zahl wächst jeden Tag. Was es momentan noch nicht gibt ist ein weltweites Contentzahlsystem für kleine Beträge, da die Transaktionskosten hierfür zu hoch sind. Aber dieses ist notwenig. „Die Leute erwarten, dass sie mit einem Klick bezahlen können wie etwa bei Amazon. Mehr Klicks schrecken den Käufer ab“, sagt er. Vielleicht nimmt die Bereitschaft zu, wenn Leser als Nicht-Abonnenten auf Seiten wie des Hamburger Abendblatts bei Artikeln, die mit einem Euro-Zeichen gekennzeichnet werden, nicht weiter kommen. Vielleicht vergrault es aber auch einige und es wird nach einem alternativen Medium gesucht.

2 Comments

  1. Martin Thiemann|May 20, 2011

    Ehrlich gesagt, war ich etwas geschockt. Ein Mann, der lange im News-Geschäft ist, dessen Existenzgrundlage der umfassende Blick auf die aktuellen Entwicklungen ist, erzählte uns Halbwahrheiten und offenbarte technische Defizite. Der Vortrag enthielt viele interessante Fakten, die sicher neu waren für einen Großteil der Besucher. Beispielsweise die Auswertung der Use cases des iPad (Nutzung Tagesverlauf) und die Einblicke in die Konzernumsätze waren erkenntnisreich.
    Bei einigen Punkten konnte man aber nur den Kopf schütteln. Bei Flipboard erwähnt er den “wunderschönen Blättereffekt”, was vermutlich das schwächste und unwichtigste Feature dieses Konzeptes ist. Er verschweigt hier bewusst, dass User sich heute gerne mehrerer Quellen bedienen, die teilweise keine klassischen Verlagshäuser sind.
    Auch beim Thema (Screen/Web)-Typografie zeigt er deutliche Lücken, was schon bei der skurrilen Herleitung deutlich wurde (Screenshot Dreamweaver-Schriftmenü).
    Grundsätzlich bin ich natürlich der Meinung, dass konträre Meinung gut und wichtig sind. Ich finde jedoch schade, dass einige Typo-Besucher mit Erkenntnissen über dieses spannende Medium heimfahren, die entweder falsch oder sehr subjektiv (aus Verlagssicht) sind.

    P.S. Außerdem hat er “den iPad” und “das App” gesagt ;)

  2. Sven|May 20, 2011

    Und er war der falsche für eine Keynote.

Christoph Keese

Christoph Keese

Economist and journalist Christoph Keese was born in 1964. Since 2008, he has been the President for Public Affairs for Axel Springer AG, Europe’s largest media publisher. Prior to that, he worked as editor-in-chief for the Sunday newspaper »Welt am Sonntag« (2004-2008), as director and head of the biz-fi department at the »Berliner Zeitung« newspaper and as the editor-in-chief of the »Financial Times Deutschland«, which he helped launch. Christoph Keese writes primarily about economic policy. He has published two books, »Rettet den Kapitalismus« (Save Capitalism, pub: Hoffman und Campe, 2004) and »Verantwortung Jetzt« (Responsibility Now, pub: C. Bertelsmann, 2006).

Related Talks