Der Medienpionier: Joachim Sauter

Joachim Sauter, Medienkünstler und Designer, ist Professor an der UdK Berlin und der UCLA Los Angeles. »Ein Medienpionier der neuen Medien«, wie ihn Simone Wolf angekündigt hat. Gerade wurde eine seiner Arbeiten mit dem Designpreis der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet.

Leidenschaft bedeutet für den leidenschaftlichen Designer, Dinge immer wieder neu zu erfinden, innovativ zu sein und Erneuerungen zu schaffen. Von ganz zentraler Bedeutung bei seinen Arbeiten ist die Kombination der Medien mit realem Raum. Er spricht von einer aktuell zu beobachtenden »Renaissance des Raumes«, überall entstehen in den letzten fünf Jahren verstärkt Flagship-Stores oder Brand Museums. Auch beim ADC werden mittlerweile Preise für Kommunikation im Raum vergeben. War 2005 noch die alleinige Arbeit vorm Rechner dominierend, ist jetzt das Bedürfnis größer, raus zu gehen, in den realen Raum, um gemeinsam mit anderen Leuten etwas zu tun. Wenn der Designer und Medienkünstler über Raum redet, unterscheidet er immer in drei Arten von Räume: die Bühne, den öffentlichen Raum und den musealen Raum.

Seine Agentur, art+com, ein interdisziplinäres Gestaltungsbüro in Berlin, besteht seit 22 Jahren. Diese Zeit teilt Joachim Sauter in drei Zyklen ein (wie bei Beziehungen auch): in die Voraussage, die Bestätigung des Mediums und das Durchsetzen des Mediums. In der Phase der Voraussage – die von Selbstaufträgen und der Suche nach Auftraggebern geprägt war – stand das Verstehen der neuen Technologien im Vordergrund. Dabei war der Blick stets nach vorne gerichtet. So entdeckte die Agentur damals eine Technologie, die google earth erst viel später entwickelte. Zum Glück hatte das Gestaltungsbüro das Ganze beim Patentamt angemeldet. In der nächsten Phase, der Phase der Bestätigung des Mediums, ging es mehr um Show-Technologien, die oft raumgreifend und voller Interaktionen waren. Im Mittelpunkt steht nun die Vernetzung im Raum. Während dieses Zykluses entstand beispielsweise ein Bühnenbild für die Oper »The Jew of Malta«. Bei der letzten Phase hat sich das Medium durchgesetzt, ist nun »erwachsen« geworden. Sehen kann man dies beispielsweise an dem Berliner Naturkundemuseum für das art+com vor drei Jahren ein beeindruckendes Redesign fertiggestellt hat. Oder aber auch bei der Ausstellung zum 100jährigen Bestehen Österreichs im Belvedere. Dort wehte eine 260m lange, österreichische Fahne durch das Gebäude. Diese Fahne dient als Narrator, als »aufgeladener Informationsmoment«. An diversen Stationen zum Hören oder Sehen erzählt die Fahne, meist sehr spielerisch und den Mueseumsbesucher einbeziehend, die Geschichte Österreichs. Besonders beeindruckend fand ich den Raum der Klichées mit einer Suppenschüssel voller Nudeln, die wiederum die Farben der österreichischen Fahnen hatte. Klickt der Besucher eine Nudel an, bekommt er ein österreichisches Klichée gezeigt. 2006 erhielt Sauter einen Auftrag in Tokio: Er gestaltete ein Neubaugebiet mit virtuellen und realen Wasserwellen. Damit gelang es ihm, auf den Ort einzugehen und einen Moment der Identifikation mit dem Ort zu kreieren, so dass der Raum auf die Person reagiert, die auf der LED-Platte steht.

Vielleicht eines seiner im Moment bekanntesten Projekte ist das BMW Museum in München, 2008. Dabei merkt man, wie bei all den anderen Projekten auch, dass für ihn Designer keine Autoren sind, sondern Übersetzer von Inhalten. Im Museum ist so zum Beispiel ein interaktiver Tisch – ein so genannter Multitouch-Tisch, den er schon seit Jahren einsetzt – zu sehen, der alle Fahrzeugtypen zeigt, die BMW jemals hergestellt hat. Tische stellen ohnehin einen Moment der Kommunikation dar, auch in der Familie, mit dieser Interaktivität nur noch mehr. In diesem, doch relativ kleinen Museum, erweiterte er den Raum mit dreidimensionaler Bewegung. Die Wände reagieren beispielsweise auf die Menschen, die sich in dem Museum bewegen und auch das Museumsdesign selbst ist sehr abstrakt geblieben. Im ersten Raums des Museums steht die vielfach ausgezeichnete Kinetische Skulptur. Aus ganz vielen Kugeln entsteht eine dynamisch schwebende Fläche im Raum. So wie es hierbei um Präzision und Herausforderung geht, so ist auch BMW mit seinen Markenwerten aufgestellt – ein Treffer auf der ganzen Linie also. Die Kinetische Skulptur zeigt in neun Minuten drei verschiedene Fahrzeuge und erzählt dabei eine Geschichte, vom Chaos, über abstrakte Formen, über Formen, die einen Wettbewerb eingehen bis dann das Fahrzeug zu erkennen ist. Diese Kugeln werden bald auch im neuen Spot für den 5er BMW auftauchen.

Bei all diesen Projekten drängt sich die Frage auf, wie man über 20 Jahre hinweg so innovativ sein kann. Diese Frage haben sich die Designer von art+com auch gestellt und zwölf Antworten gefunden. So sind etwa flache Hierarchien sehr wichtig, Positionen im Büro werden nur durch Kompetenz vergeben und stets verfolgt wird die Offenheit gegenüber Experimenten. Immer klein und flexibel, inspirieren und nicht motivieren sowie eine Atmosphäre für Streit schaffen sind weitere Devisen der Gestalter. Zudem ist das Lehren eine Aufgabe, die jeden Designer weiterbringt. In dem Berliner Gestaltungsbüro lehren 50 Prozent der Gestalter. Warum? Weil Studenten einem dazu zwingen präzise zu sein. Hier gibt es eine Auswahl an Studentenarbeiten, die sehr inspirierend sind: http://digital.udk-berlin.de/grundstudium/machine-will-not-switch-herself

Zum Schluss stellte Joachim Sauter noch die Frage, warum wir immer innovativ sein wollen. Romantisch beantwortet: weil wir die Welt verbessern wollen. Pragmatisch beantwortet: weil wir mit ihr Geld verdienen und die besseren Frauen/Männer abbekommen wollen. Er, so fügt er hinzu, ist mit seiner Partnerin sehr zufrieden.

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Joachim Sauter

Media Designer (Berlin, Germany)

After graduating from the academy of fine arts in Berlin, Joachim Sauter studied at the 'German Academy for Film and Television', Berlin. Since the early 1980s, he has been working as a media artist and designer. From the beginning, Joachim Sauter has focussed on digital technologies and is experimenting how they can be used to express content, form, and narration. Fuelled by this interest, he founded ART+COM in 1988 together with other artists, designers, scientists and technologists.Their goal was to practically research this new up-and-coming medium in the realm of art and design. Until now, he is leading this interdisciplinary group. In the course of his work he was invited to participate on many exhibitions. Beside others he showed his work at 'Centre Pompidou' Paris, 'Stejdilik Museum' Amsterdam, 'Museum for Contemporary Art' Sidney, 'Deichtorhallen Hamburg' , Kunsthalle Wien, 'Venice Biennial','ICC' Tokyo, 'Getty Center' Los Angeles, MAXXI Rom. He received several awards like the 'Golden Lion, Cannes', the 'D&AD Black Pencil', the 'Ars Electronica Interactive Award', the 'British Academy for Film and Television Interactive Award', ADC New York and ADC Germany Gold, the 'Grand Clio', the 'Red Dot Grand Prix', the "Designaward of the Federal Republic of Gemany" and many other national and international awards'. Since 1991 he is full professor for "New Media Art and Design" at the 'University of the Arts' Berlin and since 2001 adjunct professor at UCLA, Los Angeles.