Alessio Leonardi: Leidenschaft? Nein Danke.

Wegen des Vortrags von Erik Spiekermann kam der Mann etwas später auf die Bühne, der in der SHOW zugleich als Moderator und als Sprecher auf der Bühne stehen darf: Alessio Leonardi; charmant angekündigt von Indra Kupferschmid.

Im Vorfeld zu “Wie die Leidenschaft unser Leben ruiniert” oder “Leidenschaft? Nein, danke!” sammelte er Bildmaterial, hat dann Zeichnungen erstellt, Comics produziert um dann einen Vortrag aus Comics zu machen. Die Frage “Was ist Leidenschaft?” hat Alessio sich gerade vor der Konferenz als das Thema “Passion” feststand öfter getellt, auch beim Joggen. “Wie soll man die Serife von a noch optimaler machen?”. Sogar beim Sex – nach drei Kindern nicht verwunderlich – muss er oft an Buchstaben denken oder auch beim Kochen. Der Sprecher und Moderator hat versucht die Frage zu klären, völlige Klarheit wird er nicht erlangen.

Für Philosophen war die Leidenschaft etwas Schlimmes, sie haben versucht, sich von ihr zu befreien. Heute ist Leidenschaft etwas Wichtiges, man ist freiwillig leidenschaftlich. Doch woher kommt diese Leidenschaft? Nach Leonardis erster Theorie kommt sie von oben, sie sei “von Gott gegeben und daher der Ursprung allen Übels”. Dies verdeutlichte der Designer mit typografischen Comics, einer Geschichte, die er gekonnt und lustig mit verstellten Stimmen und Aussprachen erzählte. Dabei kam raus, dass Gott kein Obst isst, weil er nur Brat- und Curry-Wurst zu sich nimmt, Adam eine Erektionsstörung hat oder wir Eva danken müssen, da wir ohne sie nicht da wären. Mit solchen Aussagen hat der in Florenz geborene und heute begehrte Redner einige Lacher hervorgerufen. Nach einer anderen Theorie, wie er sagt der Theorie seines Schwagers, komme Leidenschaft von innen. Als Nächstes ging es um die Leidenschaft in der Geschichte der Menschheit und um Personen wie Don Giovanni, die vollkommen von der Leidenschaft befallen waren, oder die Trojaner, Kolumbus, Osama bin Laden oder Onkel Dagobert dessen Leidenschaft für Geld die Ursache für seinen Erfolgswahn war.

“Leidenschaft ist blöd”, so der Titel eines weiteren Kapitels. Als Alessio Leonardi noch kein Designer war, konnte er sich auf alles konzentrieren. Heute sieht das anders aus, heute wird alles unter die Lupe genommen und es fällt eben auf, wenn auf Cornflakes und Kondom-Verpackungen die gleiche Schrift eingesetzt wird. Designer haben viele Beeinträchtigungen: Sagmeister hat sich für einen Auftrag von einem Freund verstümmeln lassen. Chipp Kidd hat vor lauter Arbeit und zu lesenden Büchern keine Zeit mehr für Sex (mit der Arbeit stoppte er schnell). Erik Spiekermann hat die Leidenschaft in den Wahnsinn getrieben. Bei der Post meckert er über ein Formular und er soll Briefmarken gestalten, bei der Bahn kritisiert er das Logo und schon folgen viele Gestaltungsaufträge. Spiekermann meckere viel, aber ist er glücklich? Alessio meint Nein. Er glaube er wäre Napoleon. David Carson denkt auf der Welle an die Welle, beim Gestalten an die Welle und bei Konferenzen zeigt er die Welle.

Im fünften Kapitel vergleicht er den Homo Economicus mit einem Jahreseinkommen von 5 Millionen mit dem Homo Creativus, der seine in einem Jahr verdienten 5.000 Euro für unter anderem ein MacBook oder ein Fahrrad ausgibt und sich dann noch 350 Euro leihen muss um sich Schriften beim Fontshop zu kaufen. Das sechste und vorletzte Kapitel handelte von den Risiken der Leidenschaft, sprich Risiken für Designer. Dies können neben Armut, Drogen wie Chips, Gummibärchen oder anderen Drogen auch Burnout, geschlossene Anstalten oder Einsamkeit, an welchem Punkt er noch nicht angelangt sei, sein. Wie könne man sich nun aus der Leidenschaft befreien? Erstens, nur noch die Rotis, am Besten die Rotis Sans Serif, verwenden. Zweitens, keine Versalien mehr verwenden. Drittens, auf alle Buchstaben außer die Vokale verzichten um etwas Abstand zu gewinnen und viertens, dann nur noch das “O” als Buchstaben verwenden.

Schließlich kam er zum Fazit, dass wir alle auf einem unwichtigen Planeten leben, Leidenschaft von einer genetischen Störung kommt und uns schon sehr lange begleitet. Doch wir können uns von ihr befreien. Aber, ohne Leidenschaft gibt es keine gute Musik, kein Internet, keine gute Serifenschrift und keinen Cappuchino. “Ohne Leidenschaft geht es nicht, da gibt es keinen Widerstand. Viel Spaß noch auf dieser leidenschaftlichen Typo”, das waren die abschließenden Worte des Herrn, dessen Worte man nicht immer auf die Wagschale legen muss und der es versteht Inhalte leicht und unterhaltsam zu verkaufen.

Alessio Leonardi

Alessio Leonardi

Alessio Leonardi is a designer and font designer. His typefaces are marketed by FontShop, Linotype and his own company BuyMyFonts.com. He designed the BMF Change font family for the city of Berlin, and works indefatigably on ginormous projects that he plans to finish in this lifetime, such as the largest hand-drawn font family in the world. His most recent book, “Mr. Typo und der Schatz der Gestaltung“ (Mr. Typo and the Treasure Trove of Design), an unusual compendium of typography in the form of a graphic novel, was published at the end of 2013. Leonardi is a professor of visual communication at Hildesheim’s HAWK University of Applied Sciences and Arts.