Die neue Verantwortung

Die 14. TYPO-Konferenz wird anders als ihre Vorgänger. Nicht dramatisch anders, aber spürbar anders. Die Stimmung in der Grafikdesign-Szene hat sich in den vergangenen 24 Monaten verändert, was Debatten in Zeitschriften und im Fontblog beweisen. Die TYPO-Konferenz greift die neue Geschlossenheit der Designer auf und richtet der Branche ein Forum ein, um sich politisch aufzustellen. Jürgen Siebert schreibt in einem exklusiven Typoblog-Kommentar warum.

Wissen, was eine Harke ist

von Jürgen Siebert

Ist die Arbeit von Designern in der Öffentlichkeit weniger angesehen als die von Fotografen oder Architekten? Ja, das ist sie. Dafür gibt es gefühlte Indizien, aber auch messbare. Messbar ist beispielsweise der urheberrechtliche Schutz, den fotografische und architektonische Werke genießen. Wer das Motiv eines professionellen Fotografen nachstellt, aufnimmt und veröffentlicht verstößt – laut aktueller Rechtsinterpretation – genauso gegen das Urheberrecht wie ein Bauherr, der den Entwurf eines Architekten verändert oder kopiert. Wer allerdings ein Werbeplakat nachbaut oder die Form einer Küchenmaschine abkupfert, den erwarten allenfalls eine Rüge von Spießer Alfons (Horizont) oder der Negativpreis Plagiarius.

Zu den tagtäglichen Missachtungen der Kommunikationsdesigner gehören unanständige Wettbewerbe, herablassende Auftraggeber, anprangernde Massenmedien, Ignoranz gegenüber der kreativen Leistung und finanzielle Geringschätzung ihrer Arbeit. Das (inzwischen entsorgte) Cottbus-Logo hat gezeigt: Wenn alles zusammen kommt, entsteht Müll, alle Beteiligten sind frustriert und niemand weiß so richtig warum.

Dass es die Initiative Fidius für faire Designwettbewerbe gibt, ist alleine schon ein Warnzeichen. Geradezu absurd jedoch: Unter den ersten vier Preisträgern findet sich eine Institution, die eigentlich Designer vertreten und schützen soll, anstatt sie beim »Designpreis der Bundesrepublik Deutschland« mit 4stelligen Teilnahmegebühren zu schröpfen. Wenn wir jetzt anfangen uns gegenseitig zu zerfleischen, dann Gute Nacht Designland Germany.

Der Ruf nach einer Designkammer erklang jüngst. Nun kann keiner behaupten, dass es der Branche an Vertretung(en) fehle. Ganz im Gegenteil, möchte man meinen, denn die Landschaft der Designverbände ist fruchtbar und gliedert sich wie folgt:

A Verbände mit Qualifikationsvoraussetzung (Hochschule):

• BDG – Kommunikationsdesign
• VDID
– Produktdesign
• VDMD
– Modedesign
• IO
– Illustratorenorganisation

B Verbände ohne Qualifikationsvoraussetzung:

• AGD – für alle Sparten
• designerinnenforum – Frauen-Mischverband, teils dem AGD zugeordnet

C Weitere kleine und ganz kleine Gruppierungen:

• forum Typografie
• forum für Entwerfen
• DDC
• 100 Beste Plakate

D Designzentren

• über 20 föderal organisierte Interessenvertretungen, von der Design-Initiative Nord (Kiel) über das IDZ in Berlin bis hin zum Design Zentrum München.

Glücklicherweise gibt es den Versuch der Interessenbündelung. Die großen Berufsvertretungen sind seit November 2006 in der Initiative Deutscher Designverbände IDD organisiert, eine Art informeller Dachverband mit dem Ziel, »die Rahmenbedingungen für Designerinnen und Designer sowie der Design-Nutzer zu verbessern.« Tatsächlich besteht Hoffnung, denn die IDD glaubt inzwischen, dass dank ihrer Arbeit Designer »durchaus politisch wahrgenommen« werden.

Der Präsident des IDD, Henning Krause, hat ein griffiges Bild für seine Arbeit: »Interessenvertretung ist Dickbrettbohren.« Seiner Meinung nach kann die Politik mit einem Manager eines 50.000-Mitarbeiter-Unternehmens mehr anfangen als mit dem Vertreter einer Branche, die deutlich mehr als 100.000 Mitglieder beschäftigt, meist als Freiberufler. »Wir haben einfach keine Aufsichtsratsposten zu vergeben, das ist die Krux.« (Krause).

Kein Grund die Waffen zu strecken. Immerhin ist es Erik Spiekermann dank jahrelangem persönlichem Engagement gelungen, von der EU als einzigem Kommunikationsdesigner in eine Riege der Botschafter für das European Year of Creativity and Innovation 2009 aufgenommen zu werden, neben so schillernden Berufen wie Dirigent, Molekularkoch, Architekt, Choreograf und Handy-Unternehmer.

Dass Spiekermann nicht viel von Interessenvertretungen hält ist spätestens seit dem Forum Typografie in Berlin 1991 bekannt, wo er das Thema gesamtdeutscher Designverband mit den Worten wegbügelte: »Wenn ihr einen Verband braucht, geht zum Arzt.«

Was also zählt, ist das Engagement eines jeden einzelnen. Jede Designerin, jeder Designer, die/der unaufhörlich für das Ansehen seiner gestalterischen Arbeit kämpft ist mehr Wert als eine organisierte, aber schweigende Masse. Die TYPO 2009 möchte ihren Beitrag dazu leisten, dass die Stimme der deutschen Designerinnen und Designer gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit lauter wird.

Hierfür reserviert sie den Nachmittag des 2. Tages für die Aktivisten der Szene. Parallel zum Vortragsprogramm werden sie in 3 Veranstaltungen Gelegenheit haben, ihre Erfahrungen und Ideen zu präsentieren und auszutauschen. In einer Podiumsdiskussion äußern sich Designer, ihre Verbände sowie Vertreter aus Politik und Wirtschaft zu den Aufgaben der Zukunft. Abschließend gibt es im Café Global des Haus der Kulturen der Welt Gelegenheit zum Gedankenaustausch im kleineren Kreis.

Ich wünsche mir, dass an diesem Nachmittag nicht nur die wirtschaftlich erfolgreichen Designer ihren Input geben, sondern ein Querschnitt der Gesamtszene mitwirkt. Daher werden die Türen zu den 3 oben genannten Veranstaltungen des 2. TYPO-Tages auch nicht-akkreditierten Besuchern offen stehen.

Jürgen Siebert

Jürgen Siebert

Marketing Director / Monotype (Berlin)

Born in 1954, Siebert studied physics in Frankfurt. After receiving his degree in 1985, he worked as a science journalist, wrote his first book and moved from Frankfurt to Hamburg. There he co-founded the graphics magazine PAGE in 1986, and ran it as editor-in-chief until 1991, when he moved to Berlin. In Berlin, Siebert initially worked for two years for FSI FontShop International, where he published the first FontFonts, FUSE and the FontBook. In 1993, he took over marketing for FontShop Deutschland and in 1996, organised the first TYPO design conference; he started the Fontblog in 2004, and then in 2011, Creative Morning Berlin, as well as the TYPO offshoots in London and San Francisco. TYPO Days followed a year later. Since the autumn of 2014, he has been responsible for the German-language marketing for Monotype GmbH and initiated TYPO Labs and Brand Days.