Nicholas Bourquin – „Je viens d’ici“ – ich komme von hier

Tramelan ist ein durchschnittliches Dorf im Berner Jura, kurz vor der französischen Grenze. Keine spektakulären Berge. Keine großartigen Seen. Keine berühmte Kirche. Nur eine verhältnismäßig gloreiche Vergangenheit, die sich aus Uhrmachertradition und Landwirtschaft speist. Höhepunkt des Dorfgemeinschaftslebens ist eine gelegentliche Partie „Hornus“, bei dem sich eine Gruppe Herren im besten Alter, ausgerüstet mit Fanginstrumenten in Form von Pizzaschiebern, mit einer andere Gruppe, ausgerüstet mit Wurfinstrumenten in Form von Angeln, ein Spiel liefert, das eine Mischung aus Baseball, Tennis, Eishockey und Pizzabacken ist. Die Bevölkerung ist stark rückläufig, die junge Generation zieht es in die Städte.

„Und aus diesem Ort komme ich!“

Sohn des Dorfes und langjährige Lebenserfahrung in Berlin – diese Kombination machte Nicholas Bourquin, Geschäftsführer und Begründer von onlab, in den Augen der Stadtverwaltung zum idealen Kandidaten, um eine Imagekampagne für Tramelan zu forcieren.

Wie Nicholas Bourquin (der unter anderem auch deshalb Graphikdesign studierte, weil seine Familie ihm vom aussterbenden Uhrmacherberuf abriet), in der nächsten Stunde seine „Stratégie de Communication“ für sein Heimatdorf durchdekliniert, war mehr als eindrucksvoll. Er offenbart vor allem, wie man einen Ort lieben kann, der auf den ersten Blick so gar nicht liebenswert erscheint. Und wie man diese Liebe visualisiert.

„Vivre, Savoir und Faire“ – so die Unterpunkte seiner Imagekampagne. Keine Berge, kein See, keine Kirche – womit der Ort punkten kann, sind allein seine Einwohner, „einfache Leute im besten Sinne“. Und die portraitiert die neue Broschüre in wunderbar warmherzigen schwarz-weiß-Fotos, nicht geschönt, sondern ehrlich: die Bürgermeisterin und der Tante-Emma-Ladenbesitzer, der Bademeister und der Kabelleger. Auch Stadtansichten fehlen nicht. Er habe, so Bourquin, nicht ausschließlich schöne Orte aufgenommen. „Wir zeigen was es gibt, und nicht, was man erwartet!“ Auch wenn einige der Bewohner ihm vorwerfen, nach Ansicht der Broschüre würde der Eindruck entstehen, Tramelan sei ein zweites Tschernobyl – die Bildsprache ist die absolute Stärke der Broschüre. Die Aufgeräumtheit des Uhrmacherateliers transportiert den aufgeräumten, präzisen und organisierten Charakter der Schweizer. Und das dieser zu gleichen Teilen verschroben wie liebenswert ist, erfährt man auch aus Details, die Bourquin während des Vortrages zum besten gibt. Wie er bei der Präsentation seiner eigens entwickelten Schrift „Tramelan Lutz“ von den Verantwortlichen mit dem Satz „Wir haben schon Arial und Verdanda im Computer! Wozu eine eigene Schrift?“ gemaßregelt wird, oder dass die Lindenblätter im Stadtwappen von der Hälfte der Tramelaner für Herzen gehalten wurden: dem Zuhörer entsteht ein lebhaftes, differenziertes Bild von Tramelan.

Alles in allem war der charmante, bereichernde Vortrag von Nicholas Bourquin wohl auch ein Plädoyer, hinter die Fassaden zu schauen. Und hinter den „à vendre“- Schildern in den vernagelten Fenstern der aussterbenden Tramelaner Innenstadt werden mittlerweile wieder einige der teuersten Uhren der Welt produziert. Das freut Bourquin. Und das wiederum freut den Zuhörer, der das kleine Dorf innerhalb nur einer Stunde schon fast ins Herz geschlossen hat.

Mission Imagekampagne geglückt!

Text: Dörte Schütz