Horst Moser – Betrifft Zeitschriftendessign

Horst Moser: Editorial-Designer, Art Director und Autor führte das Publikum nach der Pause in den letzten Nachmittag der Veranstaltung. In einer Retrospektive über das Coverdesign von Magazinen, Zeitschriften und Zeitungen verdeutlichte er die gestalterische Herangehensweise im Coverdesign der letzten hundert Jahre. So führt die visuelle Reise von unbekannte Illustratoren über Peter Behrens, Gottfried Helnwein bis zur Ulmer Schule, zeigt dabei die unglaublich vielseitigen Facetten der Covergestaltung und verliert dabei nie die Gegenwart aus den Augen. Der Fundus der gezeigten Arbeiten aller Jahrzehnte war ebenso umfangreich wie sein turnhallengroßes „Coverarchiv“.

„Ich werde mit niemand so lange reden wie mit Ihnen.“
Die immense Menge der aktuellen grafischen Veröffentlichungen fordert eine besondere Verpflichtung der Gestalter, sich von der Konkurrenz klar abzuheben, Regeln zu brechen und überholte Standards zu kippen. So achtet Horst Moser in seinen Arbeiten darauf, sich gerade in anscheinend banalen Gestaltungsmerkmalen wie zum Beispiel dem Anordnen des Fließtextes oder der Headlines immer wieder neue Wege zu gehen. Sein Beitrag endete mit einem Appell an aktive Gestalter, nicht die Bodenhaftung zu verlieren, und sich gegen den unerträglichen Habitus einiger größenwahnsinniger Unternehmen, aber auch gegen das arrogante Verhalten überheblicher Designer zur Wehr zu setzten. Ein inspirierender „fast- Abschluss“ der Veranstaltung, der sicher auch viele Anwesende zum Nachdenken angeregt hat. Dafür ein Dank aus dem Publikum.

Text: Florian Wolf, Foto: gehardkassner.de

Nicholas Bourquin – „Je viens d’ici“ – ich komme von hier

Tramelan ist ein durchschnittliches Dorf im Berner Jura, kurz vor der französischen Grenze. Keine spektakulären Berge. Keine großartigen Seen. Keine berühmte Kirche. Nur eine verhältnismäßig gloreiche Vergangenheit, die sich aus Uhrmachertradition und Landwirtschaft speist. Höhepunkt des Dorfgemeinschaftslebens ist eine gelegentliche Partie „Hornus“, bei dem sich eine Gruppe Herren im besten Alter, ausgerüstet mit Fanginstrumenten in Form von Pizzaschiebern, mit einer andere Gruppe, ausgerüstet mit Wurfinstrumenten in Form von Angeln, ein Spiel liefert, das eine Mischung aus Baseball, Tennis, Eishockey und Pizzabacken ist. Die Bevölkerung ist stark rückläufig, die junge Generation zieht es in die Städte.

„Und aus diesem Ort komme ich!“

Sohn des Dorfes und langjährige Lebenserfahrung in Berlin – diese Kombination machte Nicholas Bourquin, Geschäftsführer und Begründer von onlab, in den Augen der Stadtverwaltung zum idealen Kandidaten, um eine Imagekampagne für Tramelan zu forcieren.

Wie Nicholas Bourquin (der unter anderem auch deshalb Graphikdesign studierte, weil seine Familie ihm vom aussterbenden Uhrmacherberuf abriet), in der nächsten Stunde seine „Stratégie de Communication“ für sein Heimatdorf durchdekliniert, war mehr als eindrucksvoll. Er offenbart vor allem, wie man einen Ort lieben kann, der auf den ersten Blick so gar nicht liebenswert erscheint. Und wie man diese Liebe visualisiert.

„Vivre, Savoir und Faire“ – so die Unterpunkte seiner Imagekampagne. Keine Berge, kein See, keine Kirche – womit der Ort punkten kann, sind allein seine Einwohner, „einfache Leute im besten Sinne“. Und die portraitiert die neue Broschüre in wunderbar warmherzigen schwarz-weiß-Fotos, nicht geschönt, sondern ehrlich: die Bürgermeisterin und der Tante-Emma-Ladenbesitzer, der Bademeister und der Kabelleger. Auch Stadtansichten fehlen nicht. Er habe, so Bourquin, nicht ausschließlich schöne Orte aufgenommen. „Wir zeigen was es gibt, und nicht, was man erwartet!“ Auch wenn einige der Bewohner ihm vorwerfen, nach Ansicht der Broschüre würde der Eindruck entstehen, Tramelan sei ein zweites Tschernobyl – die Bildsprache ist die absolute Stärke der Broschüre. Die Aufgeräumtheit des Uhrmacherateliers transportiert den aufgeräumten, präzisen und organisierten Charakter der Schweizer. Und das dieser zu gleichen Teilen verschroben wie liebenswert ist, erfährt man auch aus Details, die Bourquin während des Vortrages zum besten gibt. Wie er bei der Präsentation seiner eigens entwickelten Schrift „Tramelan Lutz“ von den Verantwortlichen mit dem Satz „Wir haben schon Arial und Verdanda im Computer! Wozu eine eigene Schrift?“ gemaßregelt wird, oder dass die Lindenblätter im Stadtwappen von der Hälfte der Tramelaner für Herzen gehalten wurden: dem Zuhörer entsteht ein lebhaftes, differenziertes Bild von Tramelan.

Alles in allem war der charmante, bereichernde Vortrag von Nicholas Bourquin wohl auch ein Plädoyer, hinter die Fassaden zu schauen. Und hinter den „à vendre“- Schildern in den vernagelten Fenstern der aussterbenden Tramelaner Innenstadt werden mittlerweile wieder einige der teuersten Uhren der Welt produziert. Das freut Bourquin. Und das wiederum freut den Zuhörer, der das kleine Dorf innerhalb nur einer Stunde schon fast ins Herz geschlossen hat.

Mission Imagekampagne geglückt!

Text: Dörte Schütz

Oded Ezer – Schrift, Bild, Fantasie

Der Vortrag des israelischen Kommunikationsdesigners Oded Ezer versprach eher ernsthaft zu werden. Ezer berichtete in der gut gefüllten TYPOhall zunächst relativ unbeschwingt über Werk und Werdegang. In seinem nüchternem Vortragsstil schien der Schwermut seiner konfliktgeladenen Heimat durchzuklingen. Von eben dieser sieht er sich auch am stärksten beeinflusst. Sein typographisches Werk konzentriert sich auf das hebräische Alphabet. Er sieht sich aber auch durch das arabische Umfeld Israels, insbesondere von der arabischen Kalligraphie beeinflusst.


Die Mischung aus Nüchternheit, subtilem Humor und Selbstironie brachte Spannung in den Vortrag.

Ezer hat ein ganz eigenes Verhältnis zur Typographie. Kennzeichen ist die Kombination der Schrift mit Formen aus schriftfremden Lebensbereichen, aber auch die Behandlung von Buchstaben als Lebewesen.
Unter anderem hat Ezer die Formen von Alltagsgegenständen wie Gabeln und Rollstühlen in einem klassischen hebräischen Alphabet verbaut und damit sein „Tybrid“ geschaffen. Der gleichen Idee folgend entstand auch seine dreidimensionale „Biotypographie“ – die Verbindung von Buchstaben mit Insekten – und auch Blutegeln. Ezer hat einen ganzen Buchstabenzoo geschaffen. Für Unterhaltung sorgte auch Ezers Vorstellung seines „Typospermas“ – der Entwurf eines dreidimensionalen Alphabets in Spermienform.

Ezer findet Schrift erotisch, und behandelt Buchstaben mitunter als Lebewesen. Mit seinen „Tortured Letters“ hat er Buchstaben mit Fäden malträtiert – aufgehängt, abgeschnürt und auseinander gezogen.

Natürlich hat Ezer in diesem (Un)Sinne auch die Anatomie der Buchstaben untersucht: Eindrucksvoll waren die Zeichnungen „enthäuteter“ Buchstaben mit freigelegten Muskelpartien. Nach den Malträtierungen hat er seine Buchstaben selbstverständlich verarztet und mit Bandagen versehen. Soviel Fürsorge sorgte in der TYPOHall für Stimmung und Zustimmung.

Eine der wichtigsten Lehren, die Ezer aus seiner Laufbahn zieht und auch versucht seinen Studenten zu vermitteln ist es, Ideen nie aufzugeben. „Irgendwann wird sie schon irgendjemandem gefallen“. – In der Tat!
Obwohl Ezer stark durch seine Heimat geprägt ist, ist seine Kunst global. Vor allem ist sie aus dem Leben gegriffen – fast organisch – und lebendig.

Text: Zehra Wellmann, Foto: gerhardkassner.de

Bernhard Pompeÿ – Kommunikationsdesign als Konfliktlösung?

Zunächst wies Pompeÿ verlegen daraufhin, dass die Kurzbeschreibung im Programmheft völlig übertrieben sei. Er selbst würde sich nicht als vielfach augezeichneter Designer beschreiben wollen.Viel wichtiger war ihm, seine seit circa eineinhalb Jahren fortlaufende Beschäftigung mit dem Nahost-Konflikt vorzustellen. Besonders interessant dabei ist Pompeÿs interdisziplinärer Ansatz als Designer, mit dem er in die Problematik eingestiegen ist.Gesellschaftliche und politische Einflüsse werden in diesem Zusammenhang meist von Soziologen, Kulturwissenschaftlern und Theologen behandelt.Er hob hervor, es liegt bei näherer Betrachtung auf der Hand, der Konflikt passiere durch Kommunikation.Aber welche Kommunikation verläuft zwischen Israelis und Palästinensern und vor allem durch welches Medium? Durch Sprache ist die Verständigung schwierig, hebräisch und arabisch ähneln sich kaum.Klar, Bilder spielen in diesem Konflikt eine übergeordnete Rolle, sie sind der gemeinsame Code. Durch die Medien prägt sich das Öffentlichkeitsbild. Die Bilder in der Werbung unterscheiden sich in dem westlich orientierten Israel völlig von dem vor allem kaligraphisch arbeitenden Orient. Besonders die Bilder in den Straßen, die Street Art, prägt das Verständnis voneinander und zeigt die offensichtliche Ablehnung. So werden in Städten wie Tel Aviv die Schriften des Anderen im Straßenbild zerstört und übermalt. Besonders Stencil und Grafitti prägen die bildliche Auseinandersetzung miteinander. Selbstmord-Attentäter werden mit Schablonen an die Hauswände gesprüht, um ihre Verehrung zu verdeutlichen.So sprühte auch Pompeÿ unter Ängsten in Sichtweite eines Wachturms seine Frage an die Mauer: „Kommunikationsdesign als Konfliktlösung?“.Diesen Anspruch hat Pompeÿ nicht, findet Ihn auch dem Nahost-Konflikt nicht angemessen, da nur verschiedene Fachrichtungen ein solches Problem, wenn überhaupt, lösen könnten. Aber eine Auseinandersetzung, wichtig ist hier das Fragezeichen am Ende, mit dem Thema Kommunikation und Gestaltung im Nahen Osten verhilft zu Einsichten jenseits der medialen Berichtserstattung.weitere Informationen unter: www.bernhardpompey.de   Kontakt: info@bernhardpompey.deText: Linda Horn

rob meek fontstruct

FontStruct – Schriften gestalten im Internet

Der Vortrag von Fontshop zur offenen Internetplattform FontStruct brachte einige Herausforderungen mit sich. Die dem Vorführeffekt nachzutragenden üblichen technischen Schwierigkeiten wie fiepsende Mikrofone und in der Präsentation falsch dargestellte Farben, die die Marke kurzfristig sabotierten, machten den Vortrag zusammen mit der besonderen Geräuschkulisse der offenen und durchlaufenen TYPOStage unverwechselbar.

Daniel Hartz – Fotografie: Wohin die Reise geht

Die neue Art der Werbefotografie: Ein Auto zwischen Hochhäuser, das dort niemals stand.

Vom schwarzen Tuch zum Computermonitor – die Fotografie befindet sich seit einigen Jahren auf einer rasanten Reise vom Negativ zum Pixel. Daniel Hartz meint: „Der Schock der Veränderung vom Analogen zum Digitalen in der Fotografie sitzt tief.“ Als Hartz noch ein kleiner Junge war, ist er mit seinem Vater oft Schrift abholen gegangen. Sein Vater war Schriftdesigner, in seinem Büro wurde geschnitten und geklebt. Ein Vorgang, der heute unvorstellbar ist. Hartz zeigt Fotos von früher und Fotos von heute. Es sind Werbefotografien von Autos. Traditionell sahen sie so aus: Ein Typ Rocker oder Punker stand vor einem Auto, dahinter eine Straße, ein Haus, ein strahlend blauer Himmel. Heute sieht der Betrachter das Wasser pixelgenau unter den Reifen der Autos spritzen, schicke Cabrios stehen in Wüsten, auf Gletschern und spiegeln sich in verglasten Hochhäusern. Eine perfekte Komposition, die rein auf digitalisierter Fotografie beruht.

Klar, der Produktionsablauf beginnt genau wie früher: eine Location muss gefunden werden, das Konzept steht auf Papier. Doch statt wie in der analogen Welt das von den Augen wahrnehmbare abzufotografieren, gibt es heute einen Shot des 360°-Settings. Erst danach wird entschieden an welcher Stelle im Gletscher das Auto eingesetzt werden soll.Daniel Hartz meint, die Zukunft der digitalen Fotografie hätte gerade erst begonnen. Adobe arbeite an einer Clusterlens. Auf das Objektiv aufgeschraubt macht die Linse 19 Fotos gleichzeitig, der Fotograf kann nachher die Schärfe bestimmen. Außerdem wird es eine Software geben, die erkennen kann, ob ein Foto manipuliert oder echt ist. Das ist das so genannte Bild-Forensing. Hierhin geht die Reise.

Text: Anja Hübner

Dietmar Henneka – Warum man viele Bilder tatsächlich aufhängen sollte…

Dietmar Henneka ist nicht zufrieden. Als englischer Redner war er angekündigt zum Thema Image, dabei spricht er doch Deutsch und über Werbung. Und die findet er unglaublich uninspiriert. Zumindest heutzutage. Gute Bildideen sind abgekupfert, selbst haben die (übrigens anwesenden) Kreativen nur noch schlechte, und zum Schluss geht das ganze durch die „Wurstmaschine“, die andere Computer und Photoshop nennen, man drückt den Knopf „Fuddel mir das Bild zusammen“ und heraus kommt „Quark. Von mir aus auch QuarkXpress.“


Henneka und die vollbesetzte TYPO-Hall toben, unabhängig voneinander, die Publikumsbeschimpfung erheitert beide Seiten.

Und weiter geht’s. Denn Henneka ist nicht generell gegen Photoshop. Nur wenn man es nutzt, Iris Berben von einer Jacht zu werfen. Danach sieht ein Werbeplakat, auf dem eine dunkelhaarige Schöne durch die Luft weg von einer Jacht läuft, nämlich aus für ihn. Wenn schon digital, dann soll wenigstens ein Mann wie Lucky Luke im Fallen mit zwei Sprühflaschen Glasreiniger auf eine Scheibe schießen.
Sein Tipp zum Schluss: Wer gute Fotos macht, muss nicht digital nachbearbeiten. Dafür braucht man Geduld. „Warten bis das Licht kommt ist wichtig.“ Und natürlich eine 8 x 10 Inch-Polaroid. Dann kann nichts schief gehen.“

Text: Juliane Wiedemeier, Foto: gerhardkassner.de

Jonathan Barnbrook – Treffen mit dem Designer

Wo man auf der TYPO Designer treffen kann? Im Kellergeschoss, zwischen Treppe und Café, direkt neben dem Fahrstuhl. Dort ist eine kleine Bühne aufgebaut, zehn Reihen schwarzer Stühle davor.


Jonathan Barnbrook erläutert seinen Bilder-Kampf gegen George W. Bush.

Freitag Mittag, das Auditorium lauscht, Jonathan Barnbrook spricht über seinen Bilder-Kampf gegen George W. Bush. Der Apfel seines MacBooks leuchtet, auf die Leinwand projiziert er Bilder. Ronald McDonald als Osama bin Laden, die Entwicklung der Menschheit vom Affen zum Soldaten, George W. Bush mit einem Barcode als Bärtchen. Hier wurde mit bekannten Marken und Menschen gespielt, kleine Veränderungen im bekannten Bild erzielen große Wirkung. Jonathan Barnbrook als Adbuster.


Zeit für Fragen, das Auditorium scheut sich.

Eine Fiat-Besitzerin mit Berliner-Kennzeichen wird aufgerufen, sich am Counter zu melden, danach spricht wieder Barnbrook. Seine Arbeit teile sich auf in 60 Prozent Werbung, 40 Prozent Privates. „Ich könnte reicher sein“, sagt er, dann folgen weitere Adbuster-Plakate. „Adbuster: Buy nothing day“ steht auf einem. Dann gibt es Lunch.

Text und Fotos: Juliane Wiedemeier

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Stefanie Fortmann – Die Arbeit an sich selbst

Wer als Designer eine eigene Idee verkaufen will, der muss auch selbst etwas Eigenes darstellen. Das ist der Ausgangspunkt von Stefanie Fortmanns Vortrag. Mit vielen Bildern begleitete sie den Zuhörer durch die Geschichte der menschlichen Eitelkeit. Auf den Bildern war sie stets selbst zu sehen; mal als Inkafrau, mal mit einer mächtiger Perücke, als Michael Jackson oder Amy Winehouse. Von Anfang an verbanden die Menschen Jugend mit Gesundheit und Schönheit. Und schon immer war der Mensch bestrebt, sich zu verschönern; ob mit Tätowierungen oder einfach nur durch Kosmetik.

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Font Fight

Vier Pulte, vier Farben, vier Kandidaten – dazu Moderator Bruno Maag, Kampfrichter, Ringmeister, Titelhalter des Englischen Champions 2006!
Die Regeln: Drei Minuten Zeit für jeden Kandidaten, um für sich zu werben. Die drei Pflichtdisziplinen: Schrift; gute Anwendung; schlechte Anwendung. Die Kür in der vierten Runde: Freestyle. Sieger ist, wer der Menge den frenetischsten Applaus entlocken kann. So weit, so gut.

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