image-shift – image is not enough / design is not enough

Schande über mein Haupt! Als Blogger früher zu gehen – so geht’s eigentlich nicht. Aber nach einer Stunde wirkte der moralische Zeigefinger des Vortragenden auf die Mehrzahl des Auditoriums etwas anstrengend. Und so nutzten die meisten die Chance, als der Moderator wegen anderer Vorträge kurz unterbrach. Ich inklusive!

Zugegeben, mit einigen Punkten hatte Sandy Alexander Paul Omar Abdallah Kaltenborn (hoffentlich korrekt geschrieben) von bildwechsel / image-shift Recht: Als Designer – wie in jedem anderen Beruf – sollte sich jedermann seiner Verantwortung bewusst sein. Der Beruf solle nicht lebensbestimmend werden. Und: Soziale Projekte sind lobenswert. So weit, so gut.

Anstrengend wurde es, als er a la 68er hoch zehn, alles in einen Topf warf. Ungefähr wie bei einer netten Studi-Diskussion mit schön viel Wein. Alle reden vom Wetter und zwangsläufig kommt die Revolution beziehungsweise wie jeder Einzelne ein besseres Leben führt. O-Ton Kaltenborn: „Die Perversität der Verteilungsverhältnisse!“
TYPO 2008: Kaltenborn
Auch die TYPO bekam von Kaltenborn ihr Fett weg: Der Unternehmenskommunikationsprozess dominiere, die ganze Veranstaltung werde auf Marketing reduziert und stelle nur die Gewinner dar.

Zugegeben, ein bisschen Wahrheit ist auch da nicht von der Hand zu weisen. Aber spätestens, als Kaltenborn beim Gin (der von der Eröffnungsfeier) den fehlenden Bezug zur Kolonialzeit anprangerte, war mir klar: Ich muss hier raus.

Mir hat die Gewinner-TYPO auch ohne Riesen-Hintergedanken-Infragestellerei gefallen. Und vielleicht treffe ich ja Herrn Sandy Alexander Paul Omar Abdallah Kaltenborn nochmal auf ein Weinchen.

Text: Sebastian Kemnitzer, Foto: HD Schellnack

David Berlow – Und jetzt, Typografen?

David Berlow ist außer Atem. Das Mikro überträgt sein Schnauben bis in die letzte Ecke der großen Halle. Die Typo ist im Endspurt, am Samstagabend, da ist das nur verständlich.

Berlow ist Schriftenentwerfer und Gründer von Font Bureau, Inc. Jetzt tigert er über die Bühne, den Blick gebannt auf den Bodenmonitor gerichtet, und spricht über die Schwierigkeiten, eine Schrift auch auf dem Bildschirm gut aussehen zu lassen. „Ich begann darüber nachzudenken, als ich bemerkte, dass mein iPod eine bessere Schriftdarstellung hat als mein Macintosh“, sagt er.

Dann verdeutlicht er das Problem an vergrößerten Buchstaben, und vergleicht das Rendering von Mac OS 8, Mac OS X und Vista (mit Cleartype). Auf der Leinwand werden die Unregelmäßigkeiten der Buchstaben deutlich , sie scheinen zu schwimmen. Als Zuschauer fühlt man sich wie beim Sehtest. Doch statt einer Brille verschreibt Berlow bessere Schriften, der pixeligen Auflösung der Bildschirme angepasst. Er stellt seine eigenen Screenfonts vor

Von verschwommen bis scharf in 60 Minuten: Berlow präsentiert Bildschirmschriften.

„Dabei muss man aufpassen. Denn der Computer ist leicht zufrieden zu stellen. Aber zufrieden sein sollt ihr, die Leser. Eine gute Schrift muss beide Ansprüche berücksichtigen.“ Zum Glück verbessert sich seit Jahren die Auflösung der Bildschirme. „In einer Dimension, die niemand braucht. Oder hat sich schon mal jemand von ihnen über die schlechte Auflösung seines Fernsehers beklagt? Sehen sie, die forschen da nur, damit die Schriften besser lesbar werden. Außerdem zu beachten: Der Abstand zwischen den Buchstaben. „Ich interessiere mich nur für einzelne Letter, wenn sie furchtbar aussehen. Der Abstand ist entscheidend.“

In den letzten 10 Minuten seines Vortrags stellt Berlow ein Projekt vor, für dass er eigentlich von Jürgen Siebert zur TYPO 2008 eingeladen wurde. Es geht um die typografische Ausstattung der amerikanischen Luxus-Yacht Ethereal, die zur Zeit in Holland bei Royal Huisman Shipyard BV gebaut wird. Ihr Eigner, ein Silicon-Valley-Milliardär, rüstet das Boot nicht neuesten mit den neuesten Navigations- und Energiespartechniken aus, er wünschter sich auch eine Exklusivschrift für Schalter, EDV-Interfaces und andere Beschriftungen. Berlows Spielraum war nicht groß, denn sowohl für das Logo als auch den Screenfont gab es bereits (amateurhafte) Skizzen. Er machte das Beste daraus. Auf der Basis von Bank Gothic (!) musste Berlow einen Screenfont entwickeln, der nicht gerade für Lesbarkeit steht, aber wenigstens exklusiv aussieht.

Mit dieser Erkenntnis passiert Berlow pünktlich die Ziellinie. Das war von verschwommen zu scharf in nur 60 Minuten, für einen Platz auf dem Treppchen sollte seine kompetente Präsentation reichen.

Text: Juliane Wiedemeier und Jürgen Siebert, Foto: gerhardkassner.de

Łukasz Dziedzic – Große Schriftfamilien, die Presseverleger glücklich machen

Lukas Dziedzic hat sich seinen Manuel Andrack mitgebracht. „Dies ist mein allererster Vortrag überhaupt. Falls ich den Faden verliere, wird er die richtigen Fragen stellen und mich wieder auf das Thema bringen“. Dziedzic entwarf gleich mehrere große Schriftfamilien wie der FF Clan oder der FF Good.

Dann geht es los. Er spricht über die Schwierigkeit bei der Zeitungsarbeit, an der immer Verleger, Chefredakteur und Art Director beteiligt sind. „Beim Designen einer neuen Schrift muss man es allen recht machen. Und dem Leser natürlich auch.“ Bei dem ist er noch nicht sicher, ob man ihm einen Relaunch als Big Bang präsentieren oder subtil unterjubeln sollte. Für welchen Weg man sich auch entscheide, eine Veränderung der Schriftart sei bei den meisten Zeitungen unumgänglich. Als Beweis zeigt er die Liste der 10 eindeutig zu häufig gebrauchten Schrifttypen, auf allen Plätzen: Times New Roman.

Es folgen einige praktische Tips. „Man sollte immer mit h und o beginnen. An diesen beiden Buchstaben lässt sich sofort erkennen, ob der Master für eine ganze Schrift taugt.“ Dazu sollte man aus dem Buchstaben ein Zeitungslayout bauen. Wenn das passt, kann man die anderen Buchstaben designen, danach Zahlen und Sonderzeichen.

Beispiele hat er leider nicht mitgebracht. „Das nächste Mal“, verspricht Dziedzik. Herr Andrack hätte ihn auch mal daran erinnern können.

Text: Juliane Wiedemeier

Ludovic Balland – Typografische Stadtrundfahrt

Französischer Accent auf der Typo – Ludovic Balland berichtet von seiner Arbeit auf der 5. Berlin Biennale für Zeitgenössische Kunst. Mit jedem Bild möchte er eine Geschichte erzählen. Sein Thema für die Plakate der Ausstellung war die Typografie. Auf seiner Präsentation sind Zahnräder, Dominosteine, Instrumente und Stecknadelköpfe zu sehen. Sie alle sind Teil von 26 Bildern. 26 Bilder, die das Alphabet ersetzen.
Auf seiner Rundfahrt durch die Typografie überrascht Balland die Zuhörer mit Dokumenten des Sonnenkönigs Ludwig des Vierzehnten. Die Bilder aus dem Archiv kombinierte er mit seinen Schriften. „Am liebsten würde ich mit Bildern selbst schreiben können,“ sagt Balland. Dann geht er auf die Fahrt von A bis Z. Die abstrahierten Buchstaben finden sich im Berliner Stadtbild wieder. Der Palast der Republik, der Schinkel-Pavillon, das Sony-Center und die Neue Nationalgalerie.
Mit Balland macht die Typo ihrem Namen alle Ehre: Sein Vortrag ist ein weiterer über die Entwicklung und Bedeutung von Schriften.

Text: Anja Hübner

Mike Salisbury – Legendäre Marken schaffen

Inspiration Kalifornien. Sex und Surfen. Irgendwie ein spaßiger Vortrag, bei dem Salisbury wie ein bescheidener Jüngling wirkt, der das Leben einfach genießt und hier auf der Typo ein wenig mit dem Publikum spielt. Negativ gesehen: Erklären oder irgendwie motivierend zu wirken das ist Mike sein Ding nicht! Und das scheint ihm auch bewusst zu sein: „Geht einfach, wenn ihr wollt, wir haben trotzdem Spaß!“ Sein Präsentationsprinzip besticht durch Banalität. Begriff – visuelle Umsetzung. Begriff – visuelle Umsetzung. Ein Mausklick folgt dem nächsten. Erst er selbst (auch als Motorradfahrer oder Surfer), dann sein Portfolio.


Der Kalifornier Mike Salisbury – ein wenig gelangweilt!

„Meine Mutter weiß bis heute nicht, was ich mache“, meint der Sunnyboy mit einem breiten Grinsen. „Eigentlich bin ich nur ein Verkäufer.“ Ja, ja, Mike, so redet man sich als erfolgreicher Designer, Art Director, Fotograf und, und, und selbst klein. Doch im weiteren Verlauf wird dann klar, was er eigentlich meint: Erfolgreiches Branding zeichnet sich vor allem dadurch aus, komplexe Sachverhalte einfach zu erklären. Jede Marke bräuchte dabei eine reiche Quelle an Möglichkeiten.

Doch nach viel Sonne, noch mehr Action (vor allem durch Rocky) Sex, Sex, Sex und gefühlten 768710641987 Klicks zeigt sich Mike zum Schluss nochmal ernst: „Keine Marke gibt’s ewig!“ Doch auch das scheint für den Kalifornier kein Problem zu sein. Ebensowenig wie das geteilte Publikum danach.

Text: Sebastian Kemnitzer, Foto: gerhardkassner.de

Rich Roat – Analoge Bilder in digitalen Zeiten

Wer der Meinung war seit den Zeiten von Adobe Photoshop, InDesign und Illustrator hätte die gute alte Papierzeichnung ausgedient, wurde von Rich Roat eines anderen belehrt. In der amerikanischen Schriftenschmiede „House Industries“ ist die Handarbeit noch längst nicht tot. Auf den Schreibtischen der Mitarbeiter liegen Pinsel und Stifte, Farbtöpfe und Skizzen-Blöcke. Erst wenn ein Entwurf auf Papier feststeht, kommt das digitale Werkzeug zum Einsatz.

Rich Roat - Analoge Bilder in digitalen Zeiten

Stolz ist Rich Roat auf das dreidimensionale Schaffen von House Industries.

Es sieht aus wie in den Kinderschuhen, wenn Tapetenmuster ausgedruckt und in ein überdimensional kleines Puppenhaus eingeklebt werden. In dem „House Industries’ Dollhouse“ leben sich die Gestalter aus und schauen, wie etwas in der großen Welt aussehen wird. Doch nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht: natürlich gehören hochkarätige Jeans- und Automarken, Bands und Unterwäschehersteller zu den Kunden der Firma. Die Kombination von Low Tech und High Tech scheint anzukommen. Die Skizze ist tot, es lebe die Skizze – so der Nachklang von Rich Roats Plädoyer für Handarbeit.

Text: Anja Hübner, Foto: Alexander Blumhoff

COLORS Notebook

Colors Notebook ist das Projekt der intalienischen Designfirma Fabrica. Colors ist eigentlich eine Zeitschrift, die globale Themen, aber auch einfach Probleme anspricht und aufarbeitet. Die Macher von Colors wollten einfach mal etwas Anderes probieren und so schufen sie Colors Notebook. Ein komplett weißes, leeres Buch, nur mit dem Colors-Logo. Dieses Buch schickten sie in der ganzen Welt herum und baten die Menschen es zu gestalten. Über 200 Bücher kamen zurück und zeigten Eindrücke von der ganzen Welt. Sie zeigten was es heißt transsexuell in Brasilien zu sein, Insasse eines chinesischen Gefängnisses oder Kind in Südafrika.

Mit eindrucksvollen Ausschnitten aus den Büchern wurde der Vortrag der vier Künstler von Farbrica begleitet. Außerdem zeigten sie den Besuchern einen kleinen Dokumentarfilm davon, was passierte, als die Bücher auf den unterschiedlichen Kontinenten ankamen und gestaltet wurden. Momentan reisen die Notebooks von Ausstellung zu Ausstellung. Dort sind sie immer mit einem Faden an der Decke befestigt und jeder Besucher kann sie ansehen und anfassen. Zusammenfassungen der Notebooks gibt es in Form von Büchern, die unter einem bestimmten Obertitel erscheinen. Die beiden ersten stehen unter dem Motto „Faces“ und „Violence“. Bald soll es weitere Publikationen geben. Nach dem Vortrag luden die Künstler alle Interessierten dazu ein, sich die Bücher abzusehen und vielleicht sogar selbst mit zu gestalten.

Text: Michelle Ziegelmann

Edward „Ed” Benguiat – Show & Tell

Das erste, was dem geneigten Betrachter auffällt, ist der Zauberstab, mit dem Ed Benguiat wie zur Unterstreichung seiner Worte durch die Luft wedelt. An der Spitze des Stabes prangt ein blauer Glitzerstern. Die Aussage ist angekommen: Ed nimmt weder sich selbst noch das ganze Grafikgewese all zu ernst.

Ed Benguiat auf der TYPO 2008
Auf der TYPOstage erklärt Ed Benguiat warum es sich als Designer leichter mit einem Hund als mit einem Dreijährigen zusammenarbeitet.

Und so gleitet er auch während des Vortrages immer wieder in sehr unterhaltsame Exkursionen über das Leben allgemein und das Leben eines Designers im besonderen ab. Neben praktikschen Ratschlägen zum Thema Schriftdesign gibt es auch ein bisschen Lebenshilfe. Und so erfahren wir, dass die beste Prävention gegen Zungenkrebs im gelegentlichen Ablecken eines Pinsels der Marke „Windsor Newton“ (und nur dieser Marke!) besteht; wir erfahren, warum es sich als Designer leichter mit einem Hund als mit einem Dreijährigen zusammenarbeitet; dass das Gelingen einer Schrift zu 90% vom Arbeitsmaterial des Designers, und nur zu 10% von seinem Talent abhängt; dass man beim Verschicken seiner Post getrost den Ortsnamen vergessen darf, aber auf ganz und gar keinen Fall unter keinen Umständen und absolut niemals den Zip-Code; und zu guter letzt, dass man während eines kreativen Schaffensprozesses niemals, niemals, niemals den „Flow“ stören und in der Zeit weder zum Lunch gehen, noch das Telefon abheben darf.

Ed Benguiat auf der TYPO 2008, TYPO Stage
Benguiat entwirft eine Wortmarke und holt Unterstützung aus dem Publikum.

Anschließend entwirft Benguiat noch vor den Augen der amüsierten Zuschauer einen Schriftzug für die imaginäre Droge „Magical“: „Smoke it, lift your hand and fly away!“. Zum Abschied winkt der grandiose Entertainer mit seinem blauen Zauberstab.

Ed Benguiat – just magical!

Text: Dörte Schütz, Fotos: HD Schellnack

Rian Hughes – Design, Illustration oder Imagemaking

Es war für viele Besucher, wie bei allen morgendlichen Terminen an diesen drei TYPO and the City Tagen, eine Herausforderung, um 11 Uhr wieder geistesgegenwärtig auf der Messe zu sein – vielleicht sogar für Rian Hughes.

Er ließ sich jedenfalls nicht viel anmerken, wirkte aber auch nicht sehr dynamisch und zeigte in zahlreichen Bildern Einblicke in sein Schaffen. Von seinen populären Batman und X-Men Logos über die bekannteste von ihm geschaffene Schrift „Paralucent“ und sein Alphabet von der Straße – eine seiner meist verkauften Schriften.


Hughes zeigte sich als gestandener Designer. Ein bisschen Schwermut klang mit als er über die Willkür von Erfolg und Misserfolg berichtete.

„Sachen, die man mal schnell nebenbei macht, verkaufen sich manchmal wie warme Semmeln, während Sachen, an denen man Monate oder Jahre sitzt, sich manchmal gar nicht verkaufen“.

Er erinnerte dabei etwas an Oded Ezer, der das Problem seiner nicht verkauften Werke immer dadurch löste, 300 Kopien zu machen und in alle Welt zu verschicken. Es würde sich schon irgendwann irgendjemand finden, dem es gefällt. Das macht Hoffnung. Hughes muss sich da aber wohl keine Sorgen machen. Unter anderem mögen Gordon Brown und REM, aber auch Pornomagazine die von ihm entworfenen Schriften. Mit einem solchen Kundenstamm lässt es sich sicherlich in aller Ruhe weiterdesignen.

Text: Zehra Wellmann, Foto: gerhardkassner.de

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