Catherine Dixon: To Hell with mediocrity – adventure beckons!

Der Titel des Vortrags von Catherine Dixon klingt vielversprechend: „Zur Hölle mit dem Mittelmaß“ ist ein Plädoyer für Qualitätsbewusstsein, Hinterfragen des Begriffs „Design Thinking“ und ein Aufruf für mehr Kollaboration und Austausch zwischen den Disziplinen.

 

Wissenschaftlich und angewandt, Catherine Dixons Vortrag war reichhaltig. © Sebastian Weiß / Monotype

Catherine Dixon greift das Motto unserer diesjährigen Typo „Beyond Design“ auf und lohtet den Begriff Design aus: Was bedeutet Design? Ist es eine Denkweise (Design Thinking) oder ein Handwerk? Ist es das Lösen komplexer Problemstellungen oder Optimieren von Buchstabenabständen? Geht es um die übergeordnete Idee oder das Detail? Für sie gehen diese Kontraste eine enge Verbindung ein. Design ist nicht nur das kreative (visuelle) Konzept, sondern auch die reale (handwerkliche) Umsetzung. Denken und Handeln – Kopf und Hand – geben gleichzeitig Impulse für die (Design-)Lösung. Der Begriff „Design Thinking“ führt ihrer Meinung nach in die Irre, da man sowieso denkt, während man gestaltet. Aber auch die handwerkliche Ausführung sei kein Selbstzweck, sollte mit den richtigen Fragen einhergehen – „crafted questions“ wie Catherine schön zum Ausdruck bringt.

Catherine Dixon

Catherine Dixon

Designer, Writer, Teacher (London)

Catherine Dixon is a designer, writer and teacher. As a designer she works with text-based projects, including typographic covers for the award-winning Great Ideas series for Penguin Books. As a writer and researcher she has a particular interest in letterforms, her Doctoral thesis focusing on the problems of describing typefaces. She also writes regularly on letterforms in environmental contexts, contributing to the website publiclettering.org.uk and co-authoring with Phil Baines the book “Signs: lettering in the environment”. She is a Senior Lecturer at Central Saint Martins (part of University of the Arts London) where she teaches typography on the Graphic Communication Design programme and co-curates the Central Lettering Record. From 2011–12 she was a Visiting Professor at the University of São Paulo in Brazil.

No Gatekeeping

Catherine Dixon ist selbst das beste Beispiel: Wissenschaft und Hands-on. Als Gestalterin („Great Idea“-Serie von Penguin Books) und Autorin („Signs: lettering in the environment“ mit Co-Autor Phil Baines) beherrscht sie die Feinheiten typografischer Gestaltung und vermittelt sie als Dozentin an der Central Saint Martins in London. Kritische Praxis ist für sie daher genauso wichtig wie Problemlösung. Den Begriff der Kunstfertigkeit „Workmenship – and Work-women-ship, of course!“, grundsätzlich vom Begriff des Handwerks „Craftmenship“ zu unterscheiden, sei in allen Bereichen unserer Profession als Designer der höchste Wert von gestern, heute und in Zukunft. Die Kunst der Typografie spielt auf einer Ebene, die für Laien kaum wahrnehmbar sei. Sie wirke mühelos und simpel, sozusagen unsichtbar. Generatistisch eingestellte Designer vertreten gar die Meinung, dass diese Feinheiten tradiert und überflüssig seien. Exzellente Gestaltung ist jedoch viel Arbeit und lohnt sich, wenn man das Ergebnis vergleicht mit den allgegenwärtigen Scheußlichkeiten in der Öffentlichkeit: Bücher, die nicht lesbar sind; Schilder, die die Orientierung erschweren und Plakate, mit verwirrenden Schrifthierarchien und Aussagen.

“Designers have messed up the world.”


Trotz vielfältiger Möglichkeiten und stetiger technischer Verbesserung gibt es keine Garantie dafür, dass der Designer oder Nicht-Designer die Fähigkeiten oder das Wissen besitzt, Gestaltung handwerklich korrekt und kunstfertig umzusetzen. Als Beispiel nennt Catherine Dixon Open Type Features und massiv ausgebaute Glyphen-Alternativen, die Julia Sysmäläinen in ihrem lesenswerten Artikel „Some Open Thoughts About Opentype“ bei „Alphabettes“ von Indra Kupferschmid mit fehlgeleiteten Anwendungsbeispielen versieht.

“We are all still learning. That is why we are here at TypoBerlin.”

Ein Sprichwort bringt es auf den Punkt: Das Kind mit dem Bade ausschütten © Sebastian Weiß / Monotype

Kritik zu äußern an Gestaltung ist zwar richtig und wichtig, kann im schlimmsten Fall jedoch dazu führen, dass Design Anfänger bzw. Außenstehende entmutigt werden es überhaupt richtig machen zu wollen – die Gefahr der Ausgrenzung. Eine „We know, they don‘t“-Attitüde sei daher nicht die Lösung, führt nur zu elitärem unter-sich-bleiben der Experten. Das Aufzeigen von Lösungen, Teilen und Austauschen von Wissen zwischen den Disziplinen jedoch ermöglichen überragende und relevante Ergebnisse. Wenn wir alle uns miteinander vernetzen würden – über Gemeinschaften, Generationen und Geschlechter hinaus – erweitern wir unsere Fähigkeiten mit dem Wissen und Können anderer und könnten tatsächlich etwas bewegen in der Welt. • von Christine Wenning