Nicht nur die zahlreichen Auszeichnungen des Art Directors Club beweisen, dass das ZEIT Magazin und DIE ZEIT zu Deutschlands spannendsten, innovativsten und mutigsten Publikationen gehören. Auch im Publikum meldet sich auf die Frage hin, ob jemand DIE ZEIT nicht kenne – Überraschung! – niemand. Christoph Amend, Chefredakteur des wöchentlichen Magazins, sprach schon auf der TYPO 2015 mit Sonja Knecht über Haltung und Charakter beim Magazinmachen.
Krisen sind immer gut
Auf der TYPO 2016 wird die Diskussion des vergangenen Jahres fortgeführt. Gemeinsam mit Ricarda Messner, Herausgeberin des Flaneur Magazins, soll ergründet werden, wie gedruckte Magazine im digitalen Lesealltag ihren Platz finden. Einige der schönsten Sätze, die in diesem Gespräch fallen werden, entstammen Ricardas Antwort auf die Frage, woher denn die Grundidee zum Magazin käme: „Wie so vieles begann es mit einer Krise. Ich finde Krisen immer gut. Sie kommen jeden Tag!“
Krisen als Inspiration – definitiv inspirierend. Und so ist auch das grundliegende Konzept: Das Magazin Flaneur beobachtet mit jeder Ausgabe eine Straße. Die Kantstraße in Berlin wurde zuerst entlang flaniert – danach führten die Ausgaben unter anderem durch Leipzig, Athen, und bald Moskau. Ricardas Ziel ist es, die Grenzen des Printmediums auszuloten. Ob Social Media dabei eine Rolle spiele? „Natürlich mag man meinen, dass durch soziale Medien der Vertrieb einer solchen Publikation einfacher würde. Aber ganz ehrlich: Das ist eine eigene Profession! Nur weil wir die Generation sind, die mit dem Internet aufgewachsen sind, heißt das nicht, dass wir das alles total gut können.“
Ein Swimmingpool aus Hashtags
Wie sticht man hervor in diesem Swimmingpool aus Hashtags? Wie unterhält man eine digitale Followerzahl, wenn das eigene Magazin nur alle paar Monate erscheint? Christoph Amend, dessen Magazin wöchentlich unzählige Lesende erreicht, spricht aus Erfahrung: „Man muss überlegen, was wirklich zielführend ist.“ Snapchat – ein Experiment mit Fragezeichen.
Hinzu kommt, dass Publishing sich in einer Zeit des Umbruchs befindet: Christoph bemerkt, dass heutzutage ja jeder alles mache. Ricarda, geboren 1989, sieht das auch als Vorteil ihrer Generation: „Wie schön ist es, dass ich mich nicht mehr nur für eine Rolle entscheiden muss? Da Vinci war Maler, Architekt, und so vieles mehr. Heute ist man eben DJ, Verleger und Modemacher.“
Vielfalt, Fokus und eine Prise Naivität
Vielfalt ist die eine Sache, die eine Publikation zum Leben erweckt. Das Geheimnis aber liegt im Fokus. Und dieser Fokus ist in unserem Falle das Papier: „Flaneur wechselt mit jeder Ausgabe auch die Papierauswahl. Jedes Straßenportrait ist anders. Papier ist nicht nur ein Medium, sondern auch ein Geschichtenerzähler. Es altert und verändert sich mit uns. Darum machen wir das.“
Und, gehört dazu nicht auch Mut? Wie entscheidet man sich, nach der Universität ein Printmagazin zu gründen, während alle von Digitalisierung sprechen? Ricarda sagt: „Ich war vermutlich einfach naiv. Woher sollte ich wissen, was sowas kostet und an Arbeit bedeutet? Und, na ja, irgendwann konnte ich dann keinen Rückzieher mehr machen.“ Aber nach Reue klingt Ricardas Geschichte nicht. Flaneur erscheint bald zum sechsten Mal, und sie arbeitet bereits an zwei weiteren Magazin-Ideen. Es bleibt also spannend, was die Publishing-Szene außerhalb des Internets für uns bereit hält. •