Bertram Schmidt-Friderichs: Gestaltung und Charakter

In einem sehr persönlichen Vortrag erzählt Bertram Schmidt-Friderichs von Weggabelungen, Glücksfällen und Herausforderungen seines Lebens als Verleger und als Privatperson. Er berichtet von den Eigenschaften, die es braucht, um seine Ziele verfolgen und aufrecht durchs Leben gehen zu können. „Curiosity kills the cat. Zum Glück hat die Katze sieben Leben.“

Bertram Schmidt-Friderichs arbeitet seit gut zwanzig Jahren als Verleger. Seine einleitende Frage lautet: Wer von Ihnen ist der Meinung, er hat Charakter? Und wer ist schon einmal an seine Grenzen gestoßen?

Die Typografie ist ein sich ausdehnendes Universum aus unzähligen Einzelteilen. Um seinen Weg durchs Chaos zu finden, ist für jedes gestalterische Arbeiten eine grundlegende Haltung entscheidend: Wir müssen bereit sein, unbequeme und unlukrative Entscheidungen zu treffen, um zufrieden sein zu können – generell und auch gestalterisch. Fehler können bei der Charakterbildung helfen. Was uns prägt, sind unsere Eltern, unser frühes Umfeld, Erfolge und auch Misserfolge. Je älter wir werden, desto weniger passiv stehen wir diesen Einflüssen gegenüber, desto eher können wir mitbestimmen, wohin wir uns entwickeln wollen, desto mehr Verantwortung ist uns überlassen. Der Trick am Schluss – wenn wir unsere eigenen Maxime und unsere eigenen Charaktere gefunden und gefestigt haben – ist es zu wissen, wann wir auch wieder von ihnen abweichen sollten, um uns die Chance zu geben, uns weiterzuentwickeln.

TYPO-Berlin-15-05-21-Sebastian-Weiss-Monotype-8147 Bertram Schmidt-Friderichs: „Wir sind alle haptische Menschen und wollen Bücher in die Hand nehmen.“ © Sebastian Weiß (Monotype)

Er erzählt von seiner Kindheit im Unternehmerhaushalt als mittleres Kind mit einem großen Bruder und einer kleinen Schwester. Vom Bruder, der ursprünglich die Druckerei übernehmen sollte – weil er, anders als der Sprecher, keine Angst vor den Druckmaschinen hatte. Und davon, wie dann doch alles anders kam. Wie er das Lesen-Lernen als Befreiung von der Abhängigkeit von den Eltern empfunden hat und wie er fortan alles gelesen hat, was ihm in die Finger kam. Er vergleicht das Lesen mit dem Erkennen von schlechtem Kerning: Wenn man sie erst einmal kennt, kann man die Bedeutung der Wörter nie wieder einfach übersehen, und schlechtes Kerning eben leider auch nicht.

Lob und Vertrauen, auch vorauseilend, setzen Kräfte frei. Er erzählt von einem Volontariat, an dessen erstem Tag man ihm die Autoschlüssel des Firmenwagens überlassen hat und wie stolz ihn das gemacht hat. Die Tatsache, dass das Auto kurz darauf einen unübersehbaren Kratzer abbekommen hat, hinderte die Verantwortlichen letztlich nicht daran, ihm am Ende des Volontariats eine Teilhaberschaft anzubieten, die Schmidt-Friderichs aber ausgeschlagen hat („Lieber der erste Mann in der Provinz, als der zweite in Rom.“).


Dankbarkeit und Ehrgeiz sind wichtig, genauso wie die notwendige Gelassenheit im Umgang mit Fehlern – den eigenen und denen der anderen. Er berichtet von den Schwierigkeiten, die er nach der Schule als Unternehmersohn und angehender Akademiker in der handwerklich geprägten Druckerei der Eltern hatte. Es dauerte ein halbes Jahr, bis man ihn dort an den schweren Maschinen respektiert hat und aufhörte, ihm das Leben schwer zu machen. Geduld und die Fähigkeit, den Menschen zuzuhören und ihnen Respekt entgegenzubringen, haben ihm geholfen.

Ähnliche Hürden sind ihm im Laufe der Jahre immer wieder begegnet und es brauchte Durchhaltevermögen und Engagement, um am Ende doch ans Ziel zu kommen. So gelang seine Zusammenarbeit mit dem ADC nicht mit der ersten Bewerbung, sondern erst einige Zeit später, nach einem Haufen Arbeit und auf Umwegen. Disziplin und Ordnung mögen uns manchmal antiquiert erscheinen, man kommt aber auch nicht um sie herum. Wann kann man ein Projekt noch verbessern und wann muss man sich auch mal damit zufrieden geben? In der Regel ist die Antwort im Hause Schmidt-Friderichs: Da geht noch was.

Ohne Neugier und Mut kommen wir nicht weiter. Die Neugier dient als Motor und der Mut kommt ins Spiel, weil wir gelernt haben, dass wir auch mal ins Straucheln kommen können, wenn wir uns von Altbekanntem entfernen. So entstehen außergewöhnliche Bücher mit vielen Details und besonderen Materialien, die charakteristisch sind für den Verlag Hermann Schmidt Mainz.

Bertram Schmidt-Friderichs sieht optimistisch in die Zukunft. Das Internet mag ein ernstzunehmender Konkurrent für den Buchhandel sein, mit Liebe zum bedruckten Papier und dem im Vortrag besprochenen Handwerkszeug kann man diesem Konkurrenten aber durchaus entschlossen entgegentreten. /jg

Verlag Hermann Schmidt Mainz

Betram Schmidt-Friderichs

Bertram Schmidt-Friderichs

Verleger / Verlag Hermann Schmidt Mainz (Mainz)

Bertram Schmidt-Friderichs, born in 1959, is a publisher, printer and typographer. Over the last 20 years, he and his wife Karin have built Verlag Hermann Schmidt into the leading trade publishing house for typography, graphic design and other creative sectors. He caught the type bug early on in his father’s printing house, trained as a (hot metal) typesetter, studied art history and became a printing engineer. Since 1986, he has been publishing books about fonts, typography, advertising and design, and living his passion for beautiful print books – with many of them over the years recognised with national and international awards. The house continually pushes the boundaries with new materials, techniques and printing processes under the banner “printed in Germany with love”. His enthusiasm for fonts, typography and beautiful books is palpable in his lectures and presentations. He is a founding member of the Forum Typografie and a member of ATypl and the ADC. For the last 20 years, he has been German liaison chairman of the Type Directors Club of New York, where he currently serves as a member of the board of directors. His dream is for typography to become part of the curriculum in every school.